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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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Boxershorts und einem knappen schwarzen Unterhemd entschied. Meine Brüste zeichneten sich darunter ganz genau ab, oh ja, das wird ihm sicher gefallen, dachte ich zufrieden. Wenn er doch endlich kommen würde! „Und was machst du jetzt?“, fragte ich mich laut und zuckte unbeholfen mit den Schultern. Unbeholfen war wahrhaftig das treffendste Wort, um meine aktuelle Gefühlslage zu beschreiben. „Wieso gehst du nicht ins Wohnzimmer und siehst ein bisschen fern?“, schlug ich mir vor und nickte zustimmend mit dem Kopf. „Keine schlechte Idee!“, lobte ich mich für diesen Einfall. Ich machte es mir auf der bequemen Couch gemütlich, deckte mich mit der flauschigen Tagesdecke zu und betätigte die Fernbedienung. Es musste da oben wirklich jemanden geben, der sehr, sehr böse auf mich zu sein schien, denn ich erwischte augenblicklich den Nachrichtensender, der ausgerechnet in diesem Moment von mir berichtete. Ich sah das Bild von dem gleichen schönen Gesicht, das ich einige Minuten zuvor noch in dem Badezimmerspiegel bewunderte und hörte die nüchterne Stimme des Fernsehmoderatoren: „Die mutmaßliche zweifache Mörderin ist während der letzten Nacht aus der Klinik, in der sie untergebracht war, geflohen. Bislang fehlt von ihr jede Spur.“ Ich schaltete sofort um und erwischte prompt die Szene aus Hitchcocks „Psycho“, als der Mörder die Frau unter der Dusche abschlachtete. Ich heulte verzweifelt auf, schaltete den Fernseher aus und warf die Fernbedienung auf den Boden, als hätte ich mich daran verbrannt. „Ryans Name wurde nicht erwähnt“, sagte ich nachdenklich und schnaubte: „Oder vielleicht doch, du hast ja gleich wieder umgeschaltet, du Feigling! Das war wirklich clever von dir, steck deinen Kopf ruhig in den Sand“, schimpfte ich mit mir weiter, während ich den Inhalt von Ryans Zimmerbar untersuchte. Ich erwog kurz, eine weitere Flasche Champagner kühl zu stellen, doch da es nun wirklich gar nichts zum Feiern gab, entschied ich mich für Vodka auf Eis. Gleich beim ersten Schluck verbrannte ich meine Kehle und hustete. “Igitt! Das Zeug ist ja widerlich!“, verzog ich enttäuscht das Gesicht. „So wird es nichts.“ Ich holte eine Flasche nach der anderen heraus und entdeckte endlich etwas, womit ich das eklige Gift verdünnen konnte. „Na, wer sagt’ s denn, Bitter Lemon!“, jubelte ich und goss etwas davon in mein Glas hinein, zusammen mit mehreren Eiswürfeln. Er schmeckte immer noch entsetzlich, also gab ich eine Priese Zucker hinein. „Jetzt wird es funktionieren“, grunzte ich zufrieden. Je mehr ich trank, desto besser schmeckte mir mein selbst erfundener Drink. „Vielleicht sollte ich das Rezept patentieren lassen“, lachte ich. Nach dem zweiten Glas stellte ich fest: „Du brauchst frische Luft!“ Ich schnappte mir den Schlüsselbund, um mich nicht aus Versehen auszusperren und ging hinaus. Am vorigen Abend war es viel zu dunkel, sodass ich erst jetzt feststellte, dass es eine schöne Veranda vor dem Haus gab, mit vielen Blumenkästen und einer idyllischen Hollywoodschaukel. Ich setzte mich darauf, schloss die Augen, schaukelte langsam hin und her und nahm hin und wieder einen Schluck aus meinem Glas. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, dachte ich und verschluckte mich an meinem Drink, als mir klar wurde, dass ich schon wieder ein Déjá-vu erlebte, ein wirklich böses! Und dann fiel mir plötzlich ein Witz ein, den ich irgendwann irgendwo aufgeschnappt haben musste: Fragt ein Mann eine Kellnerin in einem Café: „Haben Sie auch Déjá-vu‘ s?“
    „Ich weiß nicht“, erwidert sie unsicher, „ich muss erstmal auf der Speisekarte nachsehen!“
    Ich lachte, was das Zeug hielt, bis ich einen heftigen Schluckauf bekam, dabei war der Witz gar nicht so witzig. Genauso wenig wie die Tatsache, eine gesuchte Mörderin auf der Flucht zu sein. Die Lichtung vor dem Haus sah so malerisch aus, dass ich den Atem anhielt, als es mir endlich auffiel. Die Sonne hing in den Spitzen der wenigen Bäume, deren Blätter in allen möglichen Farben leuchteten, wie ein Heiligenschein. Gold, Kupfer, Grün, Gelb, Rot… Wie kann man nur von so einer Schönheit umgeben sein, wenn man etwas so Hässliches getan hatte wie die Dinge, die mir vorgeworfen wurden? Nein, ich hatte nichts Schlimmes getan! Denn, wenn ich zu so einer Tat fähig gewesen wäre, besäße ich definitiv nicht die Fähigkeit dazu, mich an der Schönheit der Natur zu erfreuen. Geschweige denn mich zu verlieben… Nein,

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