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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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allmählich auf die Nerven: Er spürte einen Tic am rechten Augenlid.
     »Lumpige dreitausend Dollar bis nächsten Montag«, sagte Doc eben, »sonst gehört der Bank alles – sogar meine Möbel.«
     »Kannst du nicht ein Stück Land verkaufen, um deine Bank­
    schulden zu begleichen?« fragte Dillinger.
     »Nein, das ist ausgeschlossen«, antwortete Doc. »Einen Teil­ verkauf läßt der Hypotheken vertrag nicht zu. Außerdem wäre die Zeit viel zu knapp. George Harvey, dieser Hundesohn, kauft lauter kleine Farmen auf und hortet sie zum Wiederver­ kauf, wenn die Zeiten besser werden.«
     Der Alte schenkte sich einen weiteren Drink ein. »So, jetzt haben wir genug von mir geredet. Wie steht’s mit dir? Ich hab gelesen, wie du letzten Monat aus dem Lake County Jail ausgebrochen bist. Das war wohl ‘ne tolle Sache, was?«
     »Für die anderen, nicht für mich«, stellte Dillinger fest. »Der
    reinste Spaziergang.«
     »Du bist wirklich die Nummer eins, Johnny!« beteuerte Doc. »Ich hab sie alle irgendwann kennengelernt. Aber keiner war wie du. Ich hab gehört, du seist in Kalifornien. Im Radio hat’s geheißen, du hättest letzte Woche eine Bank in Los Angeles überfallen.«
     »Wenn ich’s nur getan hätte! Ich hab auch gehört, daß ich am gleichen Tag in Houston und New Orleans Banküberfälle verübt haben soll. Aber das ist mir nur recht, wenn’s die Polizei verwirrt.« Dillinger machte eine Pause. »Was ist übrigens mit deiner Frau, Doc? Hat sie dich wegen deiner Trinkerei verlassen, wie sie dir immer gedroht hat?«
     »Ja, sie hat mich verlassen, Johnny. Sie ist vergangenes Jahr gestorben. Und meine Tochter Carrie, die ‘nen Kerl aus Miami geheiratet hat … Na ja, er ist letztes Jahr am Steuer eingeschla­ fen und tödlich verunglückt, und Carrie ist mit der Kleinen nach Florida Keys runtergezogen. Sie führt dort ein Café.«
     »Warum ziehst du nicht einfach zu ihr?«
     »Das kann ich ihr nicht antun. Ich war nur ‘ne Last für sie. Ein ausgebrannter alter Mann ohne Geld.«
     »Ich weiß noch, wie deine Farm das beste Versteck in ganz Kansas war«, sagte Dillinger. »Hier konnte man alles kriegen. Eine Übernachtung, ein neues Auto.«
     Doc kicherte geschmeichelt. »Erinnerst du dich an die Nacht, in der ich dir nach dem Bankraub in Fort Harris die Kugel aus dem Arm operiert hab?«
     Dillinger lächelte schwach. »Für einen Landtierarzt bist du ‘n verdammt guter Doktor gewesen.«
     »Oh, ich bin manchmal groß in Form gewesen.« Er schenkte sich nach. »Eigentlich komisch, Johnny, aber in meinem Alter macht man sich allmählich Gedanken über den Sinn des Lebens.«
     »Hast du ihn schon entdeckt?«
     »Ja, in gewisser Beziehung: Mein ganzes Leben ist genau
    diese dreitausend Dollar wert, aber ich hab sie nicht, was bedeutet, daß mein Leben wertlos gewesen ist. Verdammt traurig, wenn man darüber nachdenkt.«
     Dillinger starrte ihn sekundenlang an, bevor er aufstand, nach dem brüchigen gelben Gummimantel des Alten griff, ihn sich überwarf und zu seinem Ford hinauslief.
     »Wohin willst du bei dem Regen, du Dummkopf?« kreischte Doc hinter ihm her.
     Als Dillinger zurückkam, trug er einen kleinen Handkoffer, den er im Wohnzimmer auf den Tisch legte. Er öffnete ihn behutsam. Das Köfferchen enthielt gebündelte Banknotenpake­ te mit Banderolen verschiedener Banken.
     Der Alte bekam große Augen.
     »Das sind fünfzehn Mille – der gesamte Ertrag meines ver­
    pfuschten Lebens.« Dillinger lächelte wehmütig. »Bewahr das Geld für mich auf, Doc. Falls ich nicht zurückkomme, gibst du’s aus, wie du’s für richtig hältst.«
     »Nein, Johnny, das könnte ich nicht«, flüsterte Doc. »Mein Gott, wohin willst du?« erkundigte der Alte sich.
     »Ich muß mit jemand über einen Bankkredit reden«, antwor­ tete Dillinger. Er kehrte Doc den Rücken zu, ging zu seinem Wagen hinaus, setzte sich ans Steuer und fuhr davon.

    George Harvey sah auf seine Uhr. Es war kurz nach 14.30 Uhr, und er überlegte schon, ob es nicht vernünftiger wäre, heute früh nach Hausa zu fahren. Der unablässige Regen, der die Straßen von Huntsville leergefegt hatte, trommelte gegen das Fenster seines Büros und rief bei Harvey akute Depressionen hervor. Er wollte eben aufstehen, als die Tür geöffnet wurde. Marion, seine Sekretärin, streckte den Kopf herein.
     »Besuch für Sie, Mr. Harvey.«
     Harvey war offensichtlich irritiert. »Bei mir ist niemand angemeldet.«
     »Ja, das weiß

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