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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Eisenreifen zusammengehal­ tenen hohen Räder knirschten über die Steine des schlecht ausgebauten Weges.
     Der Mann auf dem Bock war selbst sitzend ein Riese. Das Gesicht unter seinem breitkrempigen Strohhut war gemein und brutal. Um die Hüfte hatte er einen Revolver samt Patronengurt geschnallt. Er hielt an, sprang vom Kutschbock, zog seinen Sombrero und hastete auf Rivera zu.
     »Du kommst spät, Rojas«, stellte Rivera fest. »Ich warte seit mindestens einer halben Stunde.«
     »Im Bergwerk hat’s Stunk gegeben, patrón«, sagte Rojas mit heiserer Stimme.
     »Irgendwas Ernsthaftes?«
     »Ich hab für Ordnung gesorgt.« Der Riese hob seine geballte Faust.
     »Gut«, meinte Rivera zufrieden. »Du hast mein Telegramm bekommen?«
     Rojas nickte und sah zu Dillinger hinüber. »Ist das der neue Mann?«
     »Señor Jordan bleibt mir persönlich unterstellt und greift ein, wenn es die Umstände erfordern«, sagte Rivera. »Du beauf­ sichtigst weiterhin unsere Arbeiter.«
     Rivera vermied es aus Prinzip, nur einem einzigen Mann die Disziplinargewalt über die Bergarbeiter zu übertragen. Rojas würde wie in der Vergangenheit versuchen, sich bei ihm einzuschmeicheln. Und der Gringo würde dafür sorgen, daß Rojas das Gefühl haben mußte, Konkurrenz zu haben – wie es schon der Gringo vor ihm getan hatte. Rivera herrschte mit Hilfe des ältesten Prinzips: Teile und herrsche.
     »He, der alte Dummkopf ist wieder da!« rief Rojas, als er Fallon erkannte. Er stolzierte auf den Amerikaner zu, aber Dillinger vertrat ihm den Weg.
     »Der alte Dummkopf heißt Mr. Fallon. Ich bin Mr. Jordan. Und wie heißen Sie?«
     »Rojas!« sagte der Mexikaner laut.
     »Freut mich, Sie kennenzulernen, Señor Rojas«, fuhr Dillin­
    ger lächelnd fort und streckte ihm die Hand entgegen.
     »Schluß mit dem Unsinn!« befahl Rivera. »Ladet das Gepäck auf den Wagen. Wir haben schon genug Zeit vergeudet.«
     Dillinger und Fallon bückten sich, um gemeinsam eine der schweren Kisten Riveras zu heben. Rojas, der mit seiner Kraft prahlen wollte, hob die andere mühelos auf den Wagen.
     »Wir können nicht den ganzen Tag rumstehen, während ihr euch wie zwei alte Waschweiber anstellt«, spottete der Mexi­ kaner.
     Er stieß Fallon beiseite, bekam die Kiste zu fassen und ver­ suchte, sie Dillinger zu entreißen. Aber dieser hielt fest und versetzte Rojas mit der rechten Stiefelspitze einen schmerzhaf­ ten Tritt ans Schienbein. Der andere stolperte mit einem Fluch rückwärts. Dillinger hob die Kiste auf den Wagen, bevor er sich langsam nach Rojas umdrehte.
     »Tut mir leid, ich hab dich wegen der Kiste nicht gesehen«, behauptete er gelassen.
     Der Mexikaner trat einen Schritt auf ihn zu und hob seine riesigen Fäuste, aber Rivera rief: »Nein, Rojas, laß das!«
     Rojas, dessen Augen funkelten, ließ widerstrebend die Fäuste sinken. »Wie Sie meinen, patrón.«
     »Du fährst mit dem Wagen hinter uns her, Rojas«, wies Rive­ ra ihn an. Er nahm auf dem Rücksitz des Kabrioletts Platz, und Fallon saß vorn neben Dillinger. Als sie über den ersten Hügel­ rücken oberhalb der Bahnstrecke fuhren, bot Dillinger dem Alten eine Zigarette an.
     »Was hast du eigentlich vor?« erkundigte Fallon sich halb­ laut. »Willst du Selbstmord begehen?«
     »Du meinst Rojas?« Dillinger zuckte mit den Schultern. »Er ist wie ein Granitblock. Wenn man die richtige Stelle trifft, zerspringt er von oben bis unten.«
     »Ich höre jedes Wort, das Sie sagen«, warf Rivera vom Rück­ sitz aus ein.
     »Das sollten Sie auch!« bestätigte Dillinger und blinzelte Fallon zu.
     John Dillinger war sich darüber im klaren, daß es nur wenige Männer gab, die in einem wirklichen Kampf auf Leben und Tod gegen Rojas eine Chance gehabt hätten. Aber schon das war eine Herausforderung, die ein Mann wie Fallon nie begrei­ fen würde. Man schützt sich nicht vor einem brutalen Schläger, indem man vor ihm kriecht.
     Dillinger lehnte sich auf dem Fahrersitz zurück, spürte die um ihn herum aufsteigende Hitze dieses wolkenlosen Tages und kniff die Augen zusammen. Die Berge verschwammen bereits im Dunst und wirkten unscharf. Als sie weiter in die Sierra hineinfuhren, kamen sie an steil abfallenden Tafelbergen, Lavafeldern und verwunschen wirkenden versteinerten Wäl­ dern vorbei. Ein wildes, unfruchtbares Land, das ohne sein Gold kein Aufenthaltsort für einen ehrbaren, anständig leben­ den Bankräuber war.
     »Ich hab sechs Kanister Benzin im

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