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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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leerte es in einem einzigen Zug. Er seufzte zufrieden und fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen. »Noch eines, dann fühl ich mich allmählich wieder menschlich. Oh, bevor ich’s vergesse: André Chavasse – Harry Jordan.«
     Sie schüttelten sich die Hand, und der junge Franzose holte zwei weitere Flaschen unter der Theke hervor. »Riveras Tele­ graf hat Sie uns schon angekündigt«, stellte er grinsend fest. »Wie Sie sehen, genießen wir hier sämtliche Annehmlichkeiten der Zivilisation.«
     Chavasse war Mitte Zwanzig, groß und schlank; sein ziemlich langes schwarzes Haar umrahmte ein gutgeschnittenes, ja aristokratisches Gesicht. Das Gesicht eines Gelehrten, dessen Strenge durch einen sinnlichen Mund und humorvolle Augen gemildert wurde. Insgesamt ein auf den ersten Blick sympathi­ scher junger Mann.
     Dillinger wandte sich an Fallon. »Was passiert jetzt?« erkun­ digte er sich.
     Der Alte zuckte mit den Schultern. »Ich vermute, daß wir morgen im Bergwerk anfangen sollen.«
     »Wo sind wir untergebracht?«
     »Nicht auf der Hazienda, falls du das glaubst. Rivera legt Wert darauf, seine Angestellten auf Distanz zu halten. Für uns gibt’s in der Bergarbeitersiedlung ‘ne Hütte.«
     »Ihr bleibt heute nacht hier«, warf Chavasse ein. »Rivera hat ein Zimmer für euch bestellt. Ihr habt das Zimmer mit der braunen Tür gleich oben an der Treppe.«
     Dillinger trank aus und stellte sein Glas ab. »Wenn ihr nichts dagegen habt, geh ich jetzt rauf. Mir kommt’s vor, als hätte ich zwei Nächte nicht mehr geschlafen.«
     Fallon nickte dem Franzosen grinsend zu. »Wir haben unter­ wegs einiges erlebt. Villa und seine Leute haben den Zug überfallen, und auf der Fahrt hierher sind wir Ortiz begegnet. Das hat Riveras Laune nicht gerade gebessert, wie du dir vorstellen kannst.«
     »Ihr habt Ortiz gesehen?« fragte Chavasse gespannt. »Wel­ chen Eindruck hat er gemacht?«
     »Er hegt Rachegelüste, wenn du mich fragst. Irgendwann wird Rivera etwas gegen ihn unternehmen.«
     »Wenn’s dazu kommt, möchte ich nicht Rivera sein«, stellte der Franzose ernst fest.
     »Halten Sie ihn für so gefährlich?« erkundigte Dillinger sich.
     Chavasse holte eine Zigarette hinter seinem Ohr hervor und riß ein Streichholz an der Theke an. »Lassen Sie sich von mir etwas sagen, mein Freund. Wenn Sie von Apachen reden, sprechen Sie von den gefährlichsten Kriegern, die es je auf der Erde gegeben hat. Rivera wird eines Tages feststellen, daß er bei Ortiz zu weit gegangen ist.«
     »Und André muß es wissen!« warf der Alte ein. »Er hat mehr über die Apachen vergessen, als ich je wissen werde.«
     »Im Augenblick«, sagte Dillinger, »interessieren mich nur ein paar Stunden Schlaf und ein Bad, falls es hier so was überhaupt gibt.«
     Er trat in das Halbdunkel der Hotelhalle hinaus, blieb stehen, um seine Jacke auszuziehen, und blinzelte, als ihm Schweiß in die Augen lief.
     Auf der Veranda vor dem Eingang waren Schritte und Spo­ rengeklirr zu hören.
     Dillinger drehte sich langsam um. Auf der Schwelle stand eine junge Frau, die ihn betrachtete, während der grelle Wider­ schein der Straße hinter ihr ihre schlanke Figur scherenschnitt­ artig hervortreten ließ. Sie trug Reitstiefel mit Sporen, eine Reithose aus schwarzem Leder, eine weiße, am Hals offene Bluse und einen breitkrempigen weißen Lederhut.
     Dillinger aber war von ihrem Gesicht geblendet: leicht schrä­ ge, ungewöhnlich große Augen, eine angedeutete Stupsnase, ein ausdrucksvoller, sinnlicher Mund. Ihre ganze Erscheinung strahlte Selbstbewußtsein und eine innere Gelassenheit aus, die er auf vage, irrationale Weise erregend fand.
     »Sie sind Señor Jordan?« fragte sie. »Harry Jordan, der das Bergwerk meines Onkels leiten soll? Ich bin Rose Teresa
    Consuela de Rivera.«
     Die junge Frau nahm ihren Hut ab, unter dem ihr blauschwar­ zes Haar zu einem Kranz geflochten war. Sie streckte ihm die Rechte mit einer merkwürdig jungenhaften Geste entgegen, und er hielt ihre erstaunlich kühle Hand länger als unbedingt nötig in seiner fest.
     »Jetzt bin ich zum erstenmal wirklich froh, nach Mexiko gekommen zu sein«, sagte er dabei.
     Ihr abweisender Gesichtsausdruck hielt sich nur für Sekun­ den; dann lächelte sie plötzlich. Sie lachte sogar, und ihr Lachen erinnerte ihn an den hellen Klang einer Schiffsglocke über einer weiten Wasserfläche.

    7

    Dillinger erwachte erst gegen Abend. Die dünne Decke war vom Bett

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