Der Tag, an dem John Dillinger starb
aufgewacht. »Was gibt’s?« erkundigte er sich ungehalten.
»In La Lina sind Banditen zugestiegen. Bei uns hinten ist geschossen worden. Haben Sie eine Schußwaffe?«
Rivera warf ihm einen mißtrauischen Blick zu. Dann zog er einen Koffer unter seinem Bett hervor, griff hinein und brachte einen Revolver zum Vorschein. »Wie viele Banditen?«
»Ursprünglich sind’s drei gewesen, aber Fallon bewacht einen von ihnen im Gepäckwagen. Ihr Anführer ist ein gewis ser Villa. Von Fallon weiß ich, daß er früher bei Ihnen gearbei tet hat.«
»Juan Villa?« Rivera machte ein finsteres Gesicht. »Dieser Mann ist ein Mörder!«
Er zwängte sich an Dillinger vorbei und hastete den Seiten gang nach hinten. Während sie an den leeren Abteilen der ersten Klasse vorbeigingen, übertönten die Fahrgeräusche des Zuges etwaige Stimmen aus der zweiten Klasse. Rivera blieb im Durchgang stehen, um kurz zu horchen, und öffnete dann leise die Schiebetür.
Juan Villa stand in der Wagenmitte und hielt seinen Hut eben einer Gruppe von Fahrgästen hin. Der dritte Mann stand keine zwei Meter von Rivera entfernt mit dem Rücken zum Durch gang und überwachte die Sammelaktion. Rivera war mit zwei raschen Schritten hinter ihm und drückte ihm die Mündung seines Revolvers in den Nacken. Der Bandit erstarrte förmlich, und Rivera nahm ihm die Waffe aus der Hand, um sie Dillinger zu geben.
Dann trat er vor und sagte: »Villa!«
Villa hob ruckartig den Kopf. Im ersten Augenblick war sein Gesicht ausdruckslos, aber dann lächelte er. »Ah, patrón. So sehen wir uns also wieder!«
»Weg mit der Waffe!« verlangte Rivera.
Als der Bandit zögerte, rief Dillinger nach Fallon. Einen Augenblick später kam der erste Zugräuber aus dem Gepäck wagen getorkelt. Er hielt seinen gebrochenen Arm mit der Linken umklammert. Hinter ihm tauchte Fallon auf.
Juan Villa zuckte mit den Schultern und legte seinen Revol ver auf eines der Klapptischchen vor den Fenstern.
»Bringt sie in mein Abteil«, ordnete Rivera an.
Fallon zog die junge Indiofrau von ihrem Platz hoch. »Die gehört auch dazu«, sagte er und stieß sie auf die beiden Männer zu.
»Wo ist der Schaffner?« fragte Rivera.
»Tot«, antwortete Fallon lakonisch.
Als sie Riveras Abteil erreichten, gab der Lokführer das Not
signal – drei Pfiffe mit der Dampfpfeife – und bremste zugleich scharf.
Dillinger sah aus dem Fenster nach vorn, während der Zug langsamer wurde. Eine Rinderherde lief neben der Strecke und auf dem Gleis durcheinander, und zwölf bis fünfzehn berittene Peons bemühten sich vergeblich, die Tiere weiterzutreiben. Plötzlich machten die Männer kehrt, galoppierten, schrille Schreie ausstoßend, auf den Zug zu, zogen ihre Revolver und schossen beim Heranreiten in die Luft. Als sie den stehenden Zug erreichten, glitten sie aus den Sätteln.
Dillinger trat ins Abteil zurück und wandte sich an Villa. »Freunde von Ihnen?«
Der Bandit grinste. »Ich bezweifle, daß ihnen die Art gefallen wird, wie Sie mich behandelt haben, amigo.«
Vom Zugende her knatterten Schüsse. Ein Uniformierter trabte am Abteilfenster vorbei, dann folgten ein zweiter und dritter. Rivera stieß Villa in die Ecke neben der Tür. »Die Soldaten sind schon dreimal vergeblich nach Juarez mitgefah ren, mein Freund. Sie haben allmählich begonnen, an euch zu zweifeln.«
Dillinger sah wieder hinaus und beobachtete die mexikani schen Kavalleristen, die jetzt nacheinander aus den geschlosse nen Güterwagen am Ende des Zuges zum Vorschein kamen. Die meisten Banditen versuchten noch, wieder in den Sattel zu gelangen, als sie umzingelt wurden. Sie leisteten kaum Wider stand. Sie sahen, daß die Soldaten in der Überzahl waren. Mit hängenden Köpfen ergaben sie sich.
Rivera zog seine Jacke an und wandte sich an Fallon. »Sie bleiben hier bei Villa. Falls er den geringsten Fluchtversuch unternimmt, erschießen Sie ihn.« Er nickte Dillinger zu. »Bringen Sie die beiden anderen ins Freie.«
Als er vom Trittbrett sprang, kam der junge Offizier, der den Kavallerietrupp befehligt hatte, zu Fuß auf ihn zu und grüßte militärisch. »Leutnant Cordonna«, stellte er sich vor. »Ich habe in Chihuahua erfahren, daß Sie mit diesem Zug reisen, Don José. Unser Unternehmen scheint ein voller Erfolg zu sein.«
»Nicht ganz«, widersprach Rivera. »Sie haben den Schaffner ermordet.«
»Wer von ihnen ist Villa?«
»Er befindet sich unter
Weitere Kostenlose Bücher