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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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der Amerikaner den zornigen Blicken Riveras aus­ wich, lief Cordonna bereits zu seinem Pferd und brüllte seinen Männern Befehle zu. Dillinger ging in die zweite Klasse zurück, durchquerte den Wagen, ohne auf die neugierigen Blicke der Einheimischen zu achten, und setzte sich neben Fallon.
     »Was hat die Aufregung zu bedeuten?« erkundigte der Alte sich.
     »Villa ist die Flucht gelungen.«
     Der andere äußerte sich nicht gleich dazu. Erst als der Zug nach einem schrillen Pfiff der Lokomotive mit einem Ruck anfuhr, meinte Fallon nachdenklich: »Weißt du, Johnny, ich glaube, du hast mit dem Mann, den du eben flüchten ließest, einiges gemeinsam.«

    6

    Dillinger hatte die Zugfahrerei allmählich satt. »Ich kann’s kaum noch erwarten, bis mein Chevvy wieder festen Boden unter den Rädern hat«, erklärte er Fallon. »Als erstes mache ich der Hotelbesitzerin – wie heißt sie gleich wieder? –, dieser Rose, meine Aufwartung.«
     »Wenn du dich von Rivera erwischen läßt, ist dein erster Besuch vielleicht gleich dein letzter. Er hat’s nicht gern, wenn seine Leute Umgang mit seinen Feinden haben.«
     John Dillinger packte den Alten mit einer Hand am Hemd und zog ihn ruckartig zu sich heran. »Laß dir ja nicht einfallen, mich als einen seiner Leute zu bezeichnen! Ich gehöre nie­ mand, verstanden?«
     »Entschuldige, Johnny«, sagte Fallon hastig. »War nicht so gemeint.«
     Dillinger ließ ihn los. »Hör zu, Fallon, über eines bist du dir hoffentlich im klaren: Du bist Amerikaner, und ich bin Ameri­ kaner, und um uns herum gibt’s sonst keine Amerikaner, so daß wir etwas gemeinsam haben, das verdammt viel wichtiger als die Tatsache ist, daß wir vorläufig beide bei diesem Rivera arbeiten.«
     »Was verstehst du unter ›vorläufig‹, Johnny?«
     »Willst du etwa bleiben? Ich hab nicht die Absicht, hier Wur­
    zeln zu schlagen. Dein Problem besteht darin, daß du nicht nach Hause kannst und, um diesseits der Grenze leben zu können, Geld brauchst, stimmt’s?«
     Der Alte nickte.
     »Ich hab mir vorgenommen, dein Problem gleichzeitig mit meinem zu lösen«, fuhr Dillinger fort. »Mein Problem besteht darin, daß du meine Identität preisgegeben hast.«
     »Aber nicht mit Absicht, das weißt du genau!«
     »Leute, die zuviel reden, büßen unter Umständen ihre Zunge ein.«
    »Aber Rivera weiß auch, wer du bist.«
     »Vielleicht büßt er dafür was anderes ein«, meinte Dillinger geheimnisvoll.
     »Was denn?«
     »Was er am meisten liebt.«
     »Sein Leben?« fragte Fallon.
     »Sein Gold.«

    »Von hier aus ist’s nicht mehr weit«, beschwichtigte der Alte Dillinger, der von Minute zu Minute unruhiger und nervöser geworden war.
     In der Ferne zeugte eine dünne Rauchfahne von der zurückge­ legten Strecke, und ein schwacher Pfiff hallte geisterhaft von den Bergen wider. Die einzigen Anzeichen menschlicher Zivilisation waren die Telegrafenstangen entlang des unbefe­ stigten Weges, der von der Bahnstrecke über die letzten Aus­ läufer der Berge nach Hermosa führte.
     Der Boden des Cañons war mit felsigem Geröll bedeckt, auf dem vereinzelt Büschel von Mesquite und Beifuß wuchsen. Obwohl die Sonne noch tief stand, schien der Felsboden bereits fast unerträgliche Hitze abzustrahlen.
     Sobald der Zug in der Station zum Stehen gekommen war, hatte Rivera das Ausladen seines Gepäcks überwacht; jetzt beaufsichtigte er das Abladen des weißen Kabrioletts von dem abgekoppelten Plattformwagen.
     »Sagen Sie Ihren Leuten, daß ich mir jeden persönlich vor­ knöpfe, der mein Auto zerkratzt«, forderte Dillinger ihn auf.
     »Lernen Sie lieber selbst Spanisch«, wehrte Rivera ab. »So­
    bald wir das Bergwerk erreichen, müssen Sie selbständig Befehle geben.«
      »Avanza, beeil dich gefälligst, vamos, los, los, fuera, ver­ schwindet! Sehen Sie«, meinte Dillinger grinsend, »Fallon hat mir schon ‘ne Menge beigebracht.«
     Als der Chevrolet über die Rampe gerollt wurde und endlich staubigen, aber festen Boden unter den Rädern hatte, klopfte Dillinger ihm auf die Motorhaube, als sei sie ein Pferdehals. Er schraubte die Kühlerfigur ab, füllte den Kühler auf und nahm dann hinter dem Lenkrad Platz, als sitze er auf einem Thron­ sessel.
     »Wie ein Kind«, sagte Rivera zu Fallon.
     »Lassen Sie ihn das lieber nicht hören, Señor Rivera«, flüster­
    te der alte Amerikaner.
     In diesem Augenblick kam ein von zwei Pferden gezogener Wagen über den Hügel. Seine mit

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