Der Tag, an dem John Dillinger starb
zurück.
»Eines Tages erlege ich diese Bestie«, sagte Rivera, als Dil linger wieder anfuhr.
»Er sieht nicht wie ein Mann aus, der leicht umzubringen ist«, stellte Dillinger nüchtern fest.
»Dreckiger Apache!« knurrte Rivera.
»Er heißt Ortiz, Juan Ortiz«, erklärte der Alte Dillinger. »Sei
ne Leute nennen ihn Diablo. Bist du schon mal mit Apachen zusammengekommen?«
John Dillinger schüttelte den Kopf. »Nur im Kino.«
Während Dillinger weiterfuhr, gab Fallon ihm zusätzliche Erläuterungen.
»Du weißt nicht allzu viel über Apachen, stimmt’s? Schon ihr Name bedeutet ›Feind‹. Früher haben sie tatsächlich nur für den Krieg gelebt – gegen andere Stämme, gegen die weißen Siedler, gegen jedermann. Die im Norden, in den Staaten lebenden Apachen sind weitgehend gezähmt. Viele von ihnen sind irgendwohin nach Florida umgesiedelt worden. Aber die anderen, die nach Süden gezogen sind … mit denen legt man sich besser nicht an. Ortiz war ein sogenannter Broncho Apache, das heißt, er gehörte einer traditionsbewußten Stam mesgruppe an. Als er sich bei einem Reitunfall einen Rücken wirbel brach, ist er ins Missionskrankenhaus in Nacozari eingeliefert worden. Dort haben die Jesuiten ihn unterrichtet und ihm einiges beigebracht.«
»Wahnsinn!« warf Rivera ein.
»Jetzt ist er ‘ne Art Laienbruder oder so was«, fuhr Fallon fort. »Er hilft Pater Tomas, dem katholischen Geistlichen in Hermosa, bei der Arbeit. Ich glaube, daß der Alte in dem Indianer seinen möglichen Nachfolger sieht, wenn er eines Tages abtritt.«
»Nur über meine Leiche!« rief Rivera aus. »Ortiz ist ein Chiricahua-Apache; er gehört zu den grausamsten Wilden, die je ihren Fuß auf Gottes Erde gesetzt haben.«
»Auch Geronimo war ein Chiricahua«, sagte der Alte. »Er ist erst vor fünfundvierzig Jahren von der amerikanischen Kaval lerie in diese Berge gejagt und zur Kapitulation gezwungen worden.«
»Man hätte sie damals ausrotten sollen«, meinte Rivera. Er lehnte sich zurück. »Bis zum letzten Mann!«
»Genau das versucht er jetzt in seiner Goldmine«, flüsterte Fallon Dillinger zu.
Rivera beugte sich nach vorn. »Was gibt’s da zu flüstern?«
»Warum gleich paranoid?« wehrte Dillinger ab. »Nur weil zwei Yankees miteinander quatschen?« Er wartete Riveras Antwort nicht ab, sondern fragte den Alten: »Im Bergwerk arbeiten also Apachen?«
Fallon nickte. »Hauptsächlich Chiricahuas, aber auch ein paar Mimbrenos.«
»Woher weißt du das alles?«
»Von André Chavasse. Er ist noch jung, ich schätze ihn auf Mitte Zwanzig, aber er weiß mehr über Apachen als jeder andere, den ich kenne. Er ist aus Paris hierhergekommen, um ein Buch über sie zu schreiben, und als Geschäftsführer von
Roses Lokal in Hermosa hängengeblieben.«
»Ah, Roses Lokal«, sagte Dillinger.
Einen Augenblick später fuhren sie über den letzten Hügel und sahen Hermosa im Tal vor sich liegen. Das Nest bestand aus 25 bis 30 Adobehäusern mit Flachdächern zu beiden Seiten einer Straße, an deren Ende eine kleine weiße Kirche mit einem Glockenturm stand. Das Hotel, auf den ersten Blick als solches erkennbar, war das einzige zweigeschossige Gebäude des ganzen Orts.
Zerlumpte, barfüßige Kinder rannten hinter dem Chevrolet her und bettelten mit ausgestreckten Händen um Kleingeld. Rivera warf ihnen eine Handvoll Münzen hin, damit sie abge lenkt waren, während das Kabriolett vor dem Hotel hielt. An der renovierungsbedürftigen Fassade hing ein verwittertes Holzschild mit der Aufschrift SHANGHAI ROSE.
»Ich hab diese verdammte Hitze satt«, sagte Rivera, als sie ausstiegen. »Ich fahre abends zur Hazienda, wenn’s kühler ist.« Er ging ins Hotel voraus.
»Hoffentlich begegnet er nicht gleich Rose«, meinte Fallon. »Die beiden können einander nicht ausstehen.«
»Komm!« forderte Dillinger ihn auf. »Ich bin schon ganz ausgetrocknet.«
Rivera war bereits verschwunden. Fallon führte Dillinger in einen großen Raum mit Natur Steinboden. Die Einrichtung bestand aus Holztischen und -stühlen, einer mit Zinkblech beschlagenen Bartheke in einer Ecke und einem großen Fla schenregal hinter der Bar. Ein junger Mann war eben dabei, zwei Bier einzuschenken.
»Der Allmächtige ist kurz hiergewesen, um euch anzukündi gen«, sagte er in stark französisch gefärbtem Englisch. »Dann ist er nach oben auf sein Zimmer gegangen.«
Fallon griff nach einem der Gläser und
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