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Der Tag, an dem John Dillinger starb

Der Tag, an dem John Dillinger starb

Titel: Der Tag, an dem John Dillinger starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Kofferraum«, rief Dillin­ ger Rojas über den Lärm des Motors hinweg zu, »aber damit komme ich nicht ewig aus. Wo kann man hier draußen Benzin kaufen?«
     »Das bekommen Sie von mir«, sagte Rivera. »Ich habe einen Tank auf der Hazienda.«
     Dillinger nahm sich vor, einen Teil dieses irgendwo versteck­ ten Benzins für seine Zwecke abzuzweigen. Er wollte vermei­ den, daß der Hafer für sein Pferd sich ausschließlich unter Riveras Kontrolle befand.
     »Bisher ist uns noch kein Auto begegnet«, stellte Dillinger fest.
     »Vermißt du den heimatlichen Verkehr?« erkundigte Fallon sich.
     »Ich vermisse die asphaltierten Straßen«, antwortete Dillinger lachend. Er sah nach hinten, um Rivera zu fragen: »Wann wird diese Straße mal asphaltiert?«
     »Wenn die Hölle zufriert«, sagte Fallon so leise, daß Rivera ihn nicht verstehen konnte, und lachte dann mit Dillinger.
     »Was habt ihr zwei da zu lachen?« erkundigte Rivera sich mißtrauisch.
     Beide zuckten gleichzeitig mit den Schultern. Das brachte sie erneut zum Lachen und machte Rivera noch wütender. Er fand seine Ansicht bestätigt, alle Amerikaner seien große Kindsköp­ fe.

    Nach einstündiger Fahrt kamen sie um eine Bergschulter und hatten ein riesiges Tal vor sich: eine weite goldgelbe Ebene, die im grellen Sonnenlicht vor Hitze flimmerte, daß einem die Augen weh taten. Im Norden ragte eine Bergkette mit schroff gezackten Gipfeln auf, die in ihrer Wildheit geradezu atembe­ raubend schön waren.
     »Das ist der Teufelsrücken«, sagte Fallon. »So nennen ihn die Einheimischen.«
     »Sieht mehr wie ‘ne uneinnehmbare Festung aus«, meinte Dillinger.
     »Das scheint er früher gewesen zu sein. Angeblich gibt’s irgendwo dort oben eine verfallene Azteken- oder Pueblo­ stadt.«
     Dann fiel ein Schuß, der rasch verhallte. Dillinger trat instink­ tiv auf die Bremse. Als der Wagen stand, hielt er eine Hand
    über die Augen und suchte die Landschaft ab.
     »Wahrscheinlich ein Jäger«, sagte Rivera mit einer wegwer­ fenden Handbewegung.
     »Das kannst du deiner Großmutter erzählen!« flüsterte der alte Amerikaner.
     Zwei Indianer kamen auf kleinen, drahtigen Pferden über den Hügel geritten. Sie trugen Lendenschurze und rote Flanellhem­ den, die fast an eine Uniform erinnerten, und hielten ihr langes Haar mit roten Flanellbändern zusammen. Beide hielten ein Gewehr in der linken Armbeuge. Der erste Reiter hatte ein erlegtes Stück Rotwild vor seiner Satteldecke quer über dem Pferd liegen.
     »Also doch Jäger«, stellte Rivera fest.
     »Auf der Jagd nach ihm«, flüsterte der Alte Dillinger zu.
     Die Indianer kamen den Hügel heruntergeritten. Anstatt ihre Pferde im Zaum zu halten, ließen sie sie um den haltenden Wagen tänzeln, als wollten sie durch diese Geste etwas Be­ stimmtes ausdrücken.
     Dillinger gab Gas und ließ das Kabriolett langsam weiterrol­ len. Aber er bremste sofort wieder, als einer der Indianer drohend sein Gewehr hob.
     »Wir wollen keine Unannehmlichkeiten mit den beiden«, sagte Rivera, aber Dillinger sah im Rückspiegel, daß der Mexikaner seinen Revolver aus dem Hosenbund gezogen und neben sich auf den Sitz gelegt hatte. Dillinger fühlte sich ohne seinen Colt nackt.
     Plötzlich rief eine laute, klare Stimme einen Befehl in einer Sprache, die Dillinger nicht verstand. Dann kam ein dritter Reiter über den Hügel und galoppierte auf sie zu, während die beiden Jäger etwas von dem Chevrolet zurückwichen.
     Der Neuankömmling hielt neben dem Auto an und fixierte Rivera mit durchdringendem Blick: ein wild aussehender Indianer mit hagerem Gesicht, das aus grauem Sandstein gehauen zu sein schien. Sein schulterlanges Haar quoll unter einem breitkrempigen schwarzen Hut hervor, wie ihn katholi­ sche Geistliche früher zu tragen pflegten, und seine verblichene schwarze Soutane war bis zu den Knien hochgezogen und ließ Rohlederstiefel sehen.
     Dann herrschte unbehagliches Schweigen, das nur durch das Schnauben und Stampfen der drei Indianerpferde unterbrochen wurde, die kleine Staubwolken aufwirbelten. Rivera war auffällig blaß geworden. An seinem Unterkiefer zuckte ein Muskel, während er dasaß und den Reiter anstarrte. Der India­ ner erwiderte seinen Blick mit zusammengekniffenen schiefer­ grauen Augen; die Sonne schien ihm ins Gesicht. Nach einiger Zeit trieb er plötzlich sein Pferd an, galoppierte mit seinen Begleitern davon und ließ den Chevvy in eine dünne Staub­ wolke gehüllt

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