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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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japanischer Kunst außerhalb Japans beherbergte. Die dritte Gruppe wollte shoppen gehen.
    Claudia und René schlossen sich Letzterer an, aber das bereuten sie schnell. Zuerst schleppten Maike und Harald sie über einen Wochenmarkt, was völlig schwachsinnig war, weil man frisches Gemüse, Fisch und Käse nicht als Souvenir mit nach Hause nehmen konnte. Dann waren die Bekleidungs-, Geschenk- und Buchläden der Umgebung dran, und davon gab es viele, sehr viele.
    Abends besuchten sie zu sechst einen Klub in der Nähe des Hotels, und weil Claudia ihren Kummer endlich vergessen wollte, war sie wild entschlossen, heute über die Stränge zu schlagen.
    „Pass auf, gleich betrink ich mich“, sagte sie zu René. „Ich werde mich so fürstlich vergnügen, dass dir die Augen übergehen.“
    Sie hielt Wort. Nach einer Weile konnte sie die Cocktails nicht mehr zählen, die sie intus hatte, und machte lauter lustige Sachen. Zumindest hielt sie die für lustig. Die anderen wohl weniger. Aber sie war entschlossen, sich von den Kollegen nicht die Laune verderben zu lassen und ihnen stattdessen eine Lektion in Sachen Volkstanz zu erteilen.
    „Also los, Leute, wir tanzen jetzt einen Kasatschok“, sagte sie und sah sich in der Runde um. „Ich weiß, wir befinden uns hier im Land des Erzfeindes, und die Musik ist voll vergeigt. Aber der Kalte Krieg ist ja vorbei, und jetzt sind wir alle wieder lieb zueinander.“
    Die anderen hatten keine Lust auf die Unterweisung, aber das tat ihrem Spaß an der Sache keinen Abbruch. Sie nippte kurz an ihrem Tequila Sunrise und fuhr dann fort: „Jeder, der es nicht in der Hüfte oder an den Bandscheiben hat, geht jetzt in die Hocke, verschränkt die Arme vor der Brust und federt abwechselnd mit den Unterschenkeln nach vorn. Dabei müsst ihr euch um die eigene Achse drehen, immer rundherum, rundherum …“
    Sie wollte es vormachen, kippte bei der akrobatischen Einlage aber nach hinten weg und landete unsanft auf dem Po. Der Tequila Sunrise schwappte über ihre Hosenbeine und breitete sich als klebrige Pfütze auf dem Boden aus, aber das hielt sie nicht davon ab, sich gleich wieder hochzustemmen und den anderen zuzurufen: „Na los, fangt an, und mit viel Seele, bitte sehr! Ihr seid ukrainische Kosaken. Ihr steht mit euren Pferde in der Steppe und wollt gleich zu einem Beutezug aufbrechen. Aber vorher müsst ihr tanzen. Ihr müsst eure ganze Wut in diesen Tanz hineinlegen, all eure Hoffnungen und Ängste ... Erzählt mir davon, erzählt mir von euren Gefühlen und eurer Geschichte.“
    Ina sah sie nur an und sagte nichts.
    Harald drehte die Augen zum Himmel.
    Maikes Mund verengte sich zum Querstrich.
    René war vergrätzt.
    „Mann, hast du ’ne Schlagseite“, sagte Frank.
    „Haben wir doch alle. Und die letzte Runde hast du ausgegeben, falls du es vergessen haben solltest.“
    „Sag bloß nicht, dass wir auch noch die Hacken zusammenknallen und Hossa schreien sollen.“
    „Aber klar doch. Ein Kasatschok ist kein träger Ringelpiez“, sagte Claudia und fuchtelte wie wild mit ihrem Cocktailglas herum, sodass die Soße bei jeder Bewegung über den Rand schwappte. „Er ist ein leidenschaftlicher Tanz, er steckt voller Kraft und Energie. Deshalb müsst ihr euch rundherum drehen, immer schneller, immer wilder … Was ist denn, Leute? Konzentration, bitte!“
    „Ihr solltet sie einfangen und ins Hotelzimmer zurückbringen“, sagte Maike zu Frank und René, und die kamen der Aufforderung sofort nach.
    Eine halbe Stunde später standen sie am Fußende von Claudias Bett und sahen sie an wie zwei Ärzte einer psychiatrischen Klinik, die einen gemeinsamen Patienten betreuen.
    „Früher war sie die Lebensfreude in Person“, sagte Frank. „Aber in letzter Zeit erregt sie nur noch Ärgernis.“
    René schwieg.
    „Was ist los mit euch, Mann?“, fuhr Frank fort. „Ihr geht uns allen auf den Geist. Harald und Maike sind schon stocksauer. Zumal eure Umsätze auch nicht mehr berauschend sind.“
    René schwieg weiter.
    „Jetzt hör mal zu, mein Lieber. Claudia ist das netteste, süßeste und freundlichste Mädchen, das ich kenne, und ich war schon immer der Meinung, dass du sie nicht verdient hast. Wenn du es versaust, bekommst du es mit mir zu tun. Also, was ist? Willst du darüber reden oder nicht?“
    René schwieg immer noch.
    „Offensichtlich nicht“, sagte Frank und machte ein beleidigtes Gesicht. „Wenn du es dir anders überlegst, kannst du mich jederzeit anrufen. Und komm jetzt bloß

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