Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte
auch?“
„So hab ich das nicht gemeint.“
„René, es tut mir leid, aber ich möchte keine Kinder haben. Ich weiß auch nicht, wie es kommt, aber gurgelnde Windelpuper und bockige Teenager lassen mich kalt. Ich wünschte, es wäre anders, aber es soll nun mal nicht sein.“
Jetzt log sie. Er dachte an Franzls und Moritz’ letzten Besuch. Da hatte Claudi die liebenswertesten und verrücktesten Dinge mit ihnen angestellt. Er konnte sich noch gut an ihr Gesicht erinnern, als sie und die Buben mit zerrissenen Hosen von einem mehrstündigen Kamikazetrip durch den Wald oberhalb der Schlegelterrassen zurückkamen. Sie hatte wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum gestrahlt und war den beiden immer wieder lachend durch die Blondschöpfe gefahren.
Nun hatte er zwar die tollste aller Klassefrauen abbekommen, eine, die er mehr als alles andere auf der Welt liebte und eine, die sein Dasein mit Leben und Wärme füllte. Aber auch in Zukunft würde das vierte Zimmer in ihrer Wohnung leer bleiben. Niemand würde je zu ihm sagen: Ganz der Papa. Kein Mädchen würde jemals die Arme um seinen Nacken legen und mit ihm schmusen, kein Junge ihn auf der Fahrt zur Kita mit Fragen nerven. Es würde keine Geburtstagsgesellschaften geben, kein Getobe im Ehebett und auch kein Heile-Heile-Segen über aufgeschlagenen Kinderknien.
René verstand die Welt nicht mehr.
Vielleicht war das alles nur ein Missverständnis, und wenn er noch mal nach den richtigen Worten und Gesten suchte, würde Claudi schließlich weich werden und darauf eingehen.
Also fing er wieder an, sie zu liebkosen und ihr zärtliche Dinge ins Ohr zu flüstern. Er überschwemmte sie mit all seinen Sehnsüchten und Gefühlen und mochte gar nicht wieder damit aufhören. Es war wie ein Dammbruch.
Aber die Stimmung war im Eimer.
Nach einiger Zeit drückte Claudi ihn ebenso sanft wie bestimmt weg und sagte: „Ich kann nicht, René.“
„Warum nicht?“
„ Du tust immer so, als würdest du gleich sterben, und im nächsten Moment willst du eine Familie gründen. Du kannst nicht alles in mich hineinprogrammieren, was überhaupt denkbar ist. Zumal ich das nicht will. Ich will nicht, hörst du?“
Da ließ er sich als Sinnbild ungerechter Behandlung in seine Kissen zurückfallen und lag die ganze Nacht wach da. Er bekam wirklich kein Auge zu, nicht mal für fünf Minuten.
Am Freitagmorgen war er völlig übernächtigt und ging Claudi aus dem Weg. Nach dem Aufstehen verschwand er gleich im Bad, und von da aus machte er sich unverzüglich auf den Weg in den Frühstücksraum. Ohne auf sie zu warten, wohlgemerkt.
Während des Workshops zum Thema Abwehrstrategien gegen Kundenbeschwerden sah er sie kein einziges Mal an, und das war eine enorme Leistung, denn sie saß direkt neben ihm. Er konnte ihre Wärme spüren und ihr Parfüm riechen, und einmal, als sie sich zur Seite beugte, um etwas in ihren Unterlagen nachzusehen, kitzelten ihre Haare ihn am Hals.
Beim Lunch setzte er eine steinerne Miene auf, damit sie gar nicht erst auf die Idee kam, ihn anzuquatschen, und das klappte auch.
Nachmittags waren die Haverpore -Mitarbeiter mit ihren beruflichen Verpflichtungen durch und hätten eigentlich nach Hause fliegen können. Aber die meisten europäischen und deutschen Kollegen hatten noch das Wochenende als Verlängerung drangehängt, denn sie wollten Seattle und die Umgebung kennenlernen.
Abends gingen sie zu fünft in die Stadt. Nur Claudi zog es vor, im Hotel zu bleiben, und das war René sehr recht. Jetzt mit ihr eine Sightseeingtour machen zu müssen, hätte ihn total überfordert.
Als Erstes steuerten sie das Hafenviertel an, das am Fuß eines Hügels lag und einen faszinierenden Anblick bot. Viele der antiquierten Landungsbrücken waren restauriert und mit Lokalen und Einkaufshallen ausgestattet worden. Hier gab es auch das Seattle Aquarium .
Nach dem Essen in einem indischen Restaurant wollten Ina und die anderen süße Seeotter angucken. Aber weil Frank keinen Wert auf die Gesellschaft seiner ehemaligen Kurzzeitflamme legte, überredete er René, mit ihm auf die Piste zu gehen. Kurz danach seilten sie sich von der Gruppe ab.
Während die beiden Männer durch die Bistros und Bars der Stadt zogen, spachen sie über Frauen. Irgendwann erzählte René dem Kollegen auch von seinem Zerwürfnis mit Claudi, wobei er den Grund dafür aber verschwieg. Wie üblich kam er auch ohne Alkohol aus. Dafür verspürte er irgendwann ein anderes Bedürfnis. Er schämte sich zutiefst
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