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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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ewige Leben kann ich Ihnen leider nicht versprechen, auch wenn ich es gern würde.“
    „Noch eine letzte Frage. Was ist … Was ist, wenn René ein Gallengangskarzinom bekommt?“
    „Das überlegen wir uns dann“, sagte er, nahm einen Schluck Kaffee und fügte mit vollem Mund hinzu: „Aber eins kann ich Ihnen versprechen, Frau Sommerfeldt: Ich würde es Sie wissen lassen, wenn da was wäre, notfalls auch hintenrum.“ Dann schluckte er die Plörre herunter und sagte: „In Krisenzeiten gilt meine Solidarität den Angehörigen. Gut möglich, dass mir diese Haltung noch mal Ärger einbringt, aber bisher bin ich damit gut gefahren.“
    Claudia sah tiefes Verständnis in seinen Augen. Mehr noch, seine Herzlichkeit, Umsicht und Zuneigung hüllte sie wie ein warmer Mantel ein. Jetzt begriff sie endgültig, warum René unbedingt zu ihm zurückwollte: Weil er sich bei ihm gut aufgehoben fühlte, auch menschlich.
    Einer spontanen Eingebung folgend umarmte sie den Mann, küsste ihn auf beide Wangen und sagte: „Tut mir leid, aber das muss jetzt einfach mal sein. Ich wünschte, alle Ärzte wären so wie Sie.“ Dann ließ sie ihn wieder los und fuhr fort: „Aber wenn ich mit den anderen rede, beiß ich überall nur auf Granit. Renés Internist zum Beispiel: Als ich neulich bei ihm in der Praxis war, hat er mir genau drei Minuten Redezeit zugesprochen, und seine Auskünfte waren total wischiwaschi: mal sehen, vielleicht morgen, vielleicht übermorgen, nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird, hören Sie auf zu lesen, das bringt doch nichts … Sie sind anders, Herr Wallin. Sie geben einem klare Antworten, wenn man Sie etwas fragt. Also, um es kurz zu machen: Ich liebe Sie! Ja wirklich, ich liebe Sie, obwohl wir uns eben erst kennengelernt haben.“
    Kaum war es heraus, prustete der Arzt auch schon los, sodass der Kaffee, den er gerade im Mund hatte, mit Schmackes aus seinem Mund herausschoss und sich als Sprühregen in der ganzen Gegend verteilte. Auch Claudia bekam ihren Teil der Ladung ab.
    Das war dem Mann furchtbar peinlich.
    „Meine Güte, was für ein Einstand“, sagte er mit einem irritierten Zwinkern in den Augen. „Jetzt hab ich Ihre schöne Jacke schmutzig gemacht.“
    „Nein, das war meine Schuld“, sagte sie, holte ein Papiertaschentuch heraus und wischte damit an seinem Kittel herum. Der sah arg ramponiert aus und hatte so gar nichts mehr von einem Erkennungszeichen medizinischer Großartigkeit an sich.
    Aber es kam noch schlimmer. Blöderweise stieß Claudia bei der Aktion auch noch mit dem Ellenbogen gegen Nils Wallins Becher, sodass sich der Rest des Getränks auch noch auf seiner und ihrer Kleidung verteilte.
    Sie wollte seinen Kittel aufknöpfen und ihn mit nach Hause zum Waschen nehmen, aber er sträubte sich mit Händen und Füßen dagegen. Schon blieben die ersten Besucher stehen, um zu sehen, was hier vor sich ging. Ein Mann fragte sie sogar mit einem breiten Grinsen im Gesicht, ob sie ärztliche Hilfe bräuchten.
    Da hob Nils Wallin abwehrend die Hände und sagte: „Um Himmels willen, nein.“ Dann fuhr er, an Claudia gewandt, fort: „Jetzt ist es aber gut, Frau Sommerfeldt! Ich kann mich gleich umziehen. Wir Ärzte sind modisch recht eintönig gekleidet. Das gleiche Modell hab ich oben noch mal im Schrank hängen.“
    „Es tut mir so leid“, sagte sie. „Ich bombardiere Sie hier mit tausend Fragen und einer völlig unangemessenen Liebeserklärung … Da soll man wohl aus der Fassung geraten. Wenn ich nicht zu René müsste, würde ich Sie jetzt als Wiedergutmachung in die Cafeteria einladen.“
    „Wie wär’s mit einem anderen Mal?“, fragte er.
    „Ich nehme Sie beim Wort“, sagte sie.
    Dann ließ sie sich von ihm die Lage des Aufwachraums beschreiben und machte sich auf den Weg zu ihrem Liebsten.
    Das Gespräch war nicht ganz so verlaufen, wie sie es gehofft hatte, aber sie war trotzdem glücklich. Weil sie wusste, dass sie in Nils Wallin einen neuen Ansprechpartner gefunden hatte, an den sie sich jederzeit wenden konnte, wenn die Sorgen sie zu übermannen drohten.

Kapitel 7: Vor sechseinhalb Jahren
     
    Seattle wurde oft die regnerische Stadt genannt, aber das stimmte nicht, fand René. In den vergangenen drei Tagen hatte sie meistens Sonnenschein und blauen Himmel zu bieten, und die Temperaturen waren für die Jahreszeit äußerst mild. Von grauen Wolken und Regenschauern keine Spur.
    Die Haverpore -Mitarbeiter schwärmten nach den Meetings regelmäßig aus, um die

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