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Der Tag Delphi

Titel: Der Tag Delphi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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wollte nicht weichen. Alles stürmte auf einmal auf sie ein. Ihr Bruder war tot. Sie würde ihn nie wiedersehen. Er war ermordet worden; nein, mehr als das – verstümmelt. Wie konnte jemand ihm so etwas angetan haben? Wie?
    »Ich hätte nichts sagen sollen«, murmelte Farlowe leise. »Es war falsch von mir.«
    Kristen löste sich aus seinem Griff. Auf ihrem Gesicht kämpften Wut und Entschlossenheit gegen das Leid an. »Nein, es war richtig so.«
    In Farlowes Blick schwang Besorgnis mit. »Lassen Sie es auf sich beruhen, kleine Lady. Die Profis sollen die Sache aufklären.«
    »Ich bin auch ein Profi, Sheriff«, erwiderte Kristen, »jedenfalls nach Washingtoner Standard. Mein Bruder hat in Miravo etwas gesehen und wurde deshalb umgebracht. Miravo fällt in den Zuständigkeitsbereich von Washington.« Sie hielt inne und erwiderte seinen Blick. »Und der Mord an meinem Bruder in den meinen.«

Elftes Kapitel
    Die Limousine setzte Samuel Jackson Dodd am Samstag nachmittag zu seiner eilends einberufenen Pressekonferenz vor dem Grand Hyatt an der H Street ab. Die Medien hatten sich schon an diese überraschend angesagten, aber stets präzise durchgeführten Spektakel gewöhnt; wann immer Dodd sich mitteilsam fühlte, rief er sie zusammen. Ursprünglich waren jeweils nur ein paar Reporter erschienen und so gut wie keine Vertreter vom Fernsehen. Nun reichte eine kurzfristige Ankündigung von mitunter nicht einmal einer Stunde, um einen Presseraum zu füllen, und alle großen Fernsehsender waren vertreten.
    Dodd hatte die Limousinentür geöffnet, bevor der Wagen richtig angehalten hatte. Er sprang hinaus und näherte sich dem Hoteleingang, während seine privaten Leibwächter hinter ihm herhetzten. Er öffnete die Tür und betrat das Hyatt, eine große, elegante Gestalt in einem mittelgrauen Anzug. Er glitt wie ein erfahrener Politiker durch die Halle, begrüßte ein paar gaffende Zuschauer per Handschlag und war so schnell weitergegangen, daß sie sich fragten, ob er sie tatsächlich berührt hatte. Sein Gesicht hatte eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem, das im ganzen Land auf Broschüren und Schildern von Demonstranten abgebildet war. Das ständig gegenwärtige Lächeln strahlte Wärme und Zuversicht aus. Diesem Mann würde alles gelingen, und jeder wußte, daß er schon sehr viel zustande gebracht hatte.
    Seine Leibwächter holten ihn vor den Rolltreppen ein und nahmen ihn in die Mitte. Die Gruppe fuhr auf der ersten von drei Treppen hinab und ging an einem riesigen Springbrunnen vorbei; in der Mitte des Wasserspiels befand sich eine Insel, auf der ein Pianist auf seinem Klavier eine leise, gefällige Melodie spielte. Dodd fuhr mit den nächsten beiden Rolltreppen zur untersten Etage des Hyatt hinab, in der die Presse sich in den Franklin Square Room gezwängt hatte. Einige Mitarbeiter von Fernsehsendern hatten ihre Vorbereitungen noch nicht ganz abgeschlossen und machten hektisch weiter, als Dodd eintrat. Scheinwerfer flammten auf, Videokameras surrten. Samuel Jackson Dodd ging zur Rückwand des Konferenzraums, wo ein Videorecorder und ein Fernsehgerät mit riesigem Bildschirm aufgebaut worden waren.
    »Ich möchte Ihnen etwas zeigen«, sagte er anstelle einer Begrüßung.
    Ohne weitere Erklärungen schaltete Dodd den Fernseher und den Videorecorder ein und bedeutete seinen Mitarbeitern, das Licht zu dämpfen. Augenblicklich erschienen schreiende Demonstranten auf dem Bildschirm. Sie reckten Schilder in die Luft, während sie auf ein geschlossenes Tor zustürmten, hinter dem Polizisten Stellung bezogen hatten. Die Kamera zeigte ein Schild in Großaufnahme. Darauf stand einfach: LEBEN!
    Dodd hielt das Bild an und ergriff das Wort. Sein Körper zeichnete sich vor dem hellen Bildschirm als unheimlich wirkende Silhouette ab. »Wissen Sie, wo diese Bilder aufgenommen wurden, meine Damen und Herren? Vor dem Gefängnis San Quentin, in dem Billy Ray Polk morgen bei Sonnenaufgang hingerichtet werden soll. Die Menschenmenge, die Sie hier sehen, will nicht, daß Billy Ray Polk stirbt. Diese Leute behaupten, eine Hinrichtung durch eine tödliche Injektion sei eine grausame und unwürdige Strafe.«
    Dodds große Gestalt trat ein paar Schritte zur Seite.
    »Eine grausame und unwürdige Strafe? Ist Ihnen aufgefallen, daß niemand dagegen protestiert hat, was er mit diesen beiden Kindern gemacht hat? Wie er sie gefoltert hat, bevor er sie umbrachte, und wie sie zuerst um ihr Leben und dann um den Tod bettelten? Und trotzdem gibt

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