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Der Tag Delphi

Titel: Der Tag Delphi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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gemeinsam?« Er trat wieder vor den Fernsehschirm, auf dem das Schild der Demonstranten abgebildet war. »Es kommt mir vor, als wäre alles in diesem Land auf den Kopf gestellt worden. Für jede Person, die so ein Schild hält, gibt es Hunderttausende, die einfach umschalten, wenn Billy Ray Polk im Fernsehen auftritt. Aber wo sind sie? Warum hören wir nie von ihnen? Viele Leute wählen schon gar nicht mehr, weil sie glauben, damit sowieso nichts mehr bewirken zu können. Die Leute sind frustriert. Die Leute werden wütend.«
    »Was unterscheidet die Demonstranten vor San Quentin von denen, die gestern zum Kapitol gezogen sind, um Sie zu unterstützen?« fiel die Stimme eines Reporters ein.
    Dodd drehte sich um und blieb stehen. Abgesehen vom Surren der Kameras wurde es totenstill im Raum.
    »Sehr viel. Die Leute, die mich unterstützen, wollen, daß dieses Land wieder aufgebaut wird. Diese da«, sagte er und deutete mit der Hand wütend auf das erstarrte Bild auf dem Schirm, »wollen, daß es noch weiter zerfällt, als es sowieso schon der Fall ist. Und da draußen gibt es noch mehr von diesen Leuten, viel mehr, als wir ahnen. Ich spreche von Leuten, denen jede Entschuldigung recht ist, dieses Land zugrunde zu richten, mein Sohn. Ich habe sie gesehen und mit ihnen zu tun gehabt. Ein zerfurchter Untergrund, der alles haßt, was Amerika ist und wofür es steht. Sie warten nur auf ihre Chance, endlich das tun zu können, was sie schon immer tun wollten. Und wenn wir die Sache nicht schnell in den Griff bekommen, werden sie es auch schaffen.«
    Ein kollektives Murmeln drang durch die Menge, und die Reporter fragten sich, ob es ihnen endlich gelungen war, den unzugänglichen Sam Jack Dodd bei einem Perotismus zu erwischen.
    »Sprechen Sie von einer Revolution, Sir?«
    »Nein, ich spreche von willkürlicher Gewalt«, sagte Dodd und wetzte die Scharte damit wieder aus. »Ich spreche von den Unruhen in Los Angeles im Jahre 1992, aber in einem nationalen Maßstab. Glauben Sie, daß unser Land imstande ist, darauf zu reagieren? Natürlich nicht. Welche andere Wahl haben wir also, wenn nicht die, Schritte zu ergreifen, um so etwas zu vermeiden?«
    »Mit Schritten meinen Sie …«
    »Meine ich, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen, und zwar sofort. Wir brauchen ein funktionsfähiges System. Schluß mit den Ausflüchten. Schluß mit den Kompromissen, die unsere Politik lähmen.«
    »Sie sprechen wie ein Präsidentschaftskandidat, Mr. Dodd.«
    Sam Jack Dodd ließ das berühmte knabenhafte Grinsen aufblitzen, das zu seinem Markenzeichen geworden war. »Zu schade, daß wir kein Wahljahr haben, nicht wahr, mein Sohn?«

Zwölftes Kapitel
    »Ja, ich erinnere mich an ihn«, sagte der Hilfssheriff von Gainesville, Texas, am späten Samstagnachmittag zu Johnny Wareagle.
    Johnny nahm das Foto von Will Shortfeather in dessen ausgestreckter Hand wieder an sich.
    »Er war vor etwa zwei Wochen hier und hat jede Menge unangenehmer Erinnerungen aufgerührt«, fuhr der Deputy fort, und sein Tonfall verriet, daß er nicht die Absicht hatte, diese Erinnerungen noch einmal aufzuwärmen. »Aber ein Kollege hat mit ihm gesprochen.«
    »Er hat sich nach einem Mann namens Traggeo erkundigt.«
    Der Hilfssheriff nickte.
    »Was ist in Ihrer Stadt passiert? Was hat Traggeo hier angestellt?«
    »Es war vor gut einem Jahr. Er hat sich in einer Bar mit vier Einheimischen geprügelt«, erklärte der Deputy. »Der Kampf hat nicht lange gedauert. Einer von ihnen ist tot. Zwei sind noch immer im Krankenhaus. Einer von ihnen kann von Glück reden, wenn eines seiner Augen gerettet werden kann. Der andere kann nicht mehr sprechen, weil etwas mit seinen Kehlkopf passiert ist. Und das Verrückte daran ist, daß es harte Burschen waren, jedenfalls die härtesten, die diese Stadt zu bieten hat. Man könnte fast den Eindruck haben, Ihr Freund hätte dies gewußt, hätte geradezu nach ihnen Ausschau gehalten.«
    »Er ist nicht mein Freund.«
    »Aber Sie kennen ihn.«
    »Ich … habe ihn einmal gekannt.«
    »Und was er getan hat, überrascht sie nicht.«
    »Nein.«
    Der Deputy schaute wütend drein. »Ihr Freund hat es darauf angelegt, sich zu prügeln. Vier gegen einen, und er hat angefangen. Die Zeugen haben ausgesagt, er wäre betrunken gewesen.«
    »Wahrscheinlich hat nur das ihn abgehalten, sie alle zu töten.«
    Der Hilfssheriff musterte Johnny kurz, bevor er fortfuhr. »Irgend jemand hat ihm eine Flasche über den Kopf geschlagen. Ich und zwei andere Deputies

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