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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Nähe vielleicht etwas anderes von Interesse aufzuspüren. Nicht mal der Schatten einer Beute. Na wenn schon.
    Nr. 103 683 ist eine rote Ameise aus der Föderationsstadt Bel-o-kan. Sie ist eineinhalb Jahre alt, was vierzig Menschenjahren entspricht. Sie gehört zur Kaste der geschlechtslosen Kundschafterinnen. Sie trägt ihre Antennen hochaufgerichtet. Die Haltung ihres Halses und ihres Thorax zeugt von ihrem gewachsenen Selbstbewußtsein. Eine ihrer Bürstensporen im Schienbein ist gebrochen, aber die Maschinerie ist insgesamt noch vollkommen funktionstüchtig, selbst wenn die Karosserie von Streifen übersät ist.
    Ihre kleinen Halbkugelaugen überprüfen die Szenerie durch das Sieb ihrer Augenfacetten. Weitwinkelblick. Sie kann gleichzeitig nach vorne, nach hinten und nach oben schauen. In der Umgebung regt sich nichts.
    Sie klettert von dem Strauch, indem sie sich der Ankerborsten unter den Enden ihrer Beine bedient. Diese kleinen fasrigen Kugeln sondern eine haftende Substanz ab, die es ihr ermöglicht, sich auf völlig glatten Flächen zu bewegen, sogar in der Senkrechten, sogar rückwärts.
    Nr. 103 683 nimmt eine Duftspur auf und läuft in Richtung ihrer Stadt. Die Gräser um sie herum ragen als grüner Hochwald auf. Sie trifft zahlreiche belokanische Arbeiterinnen, die emsig die gleichen Duftwege entlanglaufen. Stellenweise haben Straßenarbeiterinnen die Strecke unterirdisch verlegt, damit ihre Benutzer nicht von den Sonnenstrahlen gestört werden.
    Unvorsichtigerweise überquert eine Nacktschnecke die Ameisenstraße. Die Soldatinnen vertreiben sie sofort, indem sie sie mit ihren Kieferspitzen stechen. Der Weg wird sofort von dem Schleim gereinigt, den sie hinterlassen hat.
    Nr. 103 683 trifft ein sonderbares Insekt. Es hat nur einen Flügel und kriecht direkt auf dem Boden dahin. Aus der Nähe betrachtet ist es nur eine Ameise, die einen Libellenflügel transportiert. Begrüßungen. Diese Jägerin hat mehr Glück gehabt als sie. Denn unverrichteter Dinge oder mit einem Schmetterlingskokon zurückzukehren macht keinen großen Unterschied.
    Der Umriß der Stadt beginnt sich abzuzeichnen. Dann verschwindet der Himmel über ihr. Es ist nur noch ein Berg aus Zweigen da.
    Das ist Bel-o-kan.
    Von einer verirrten Ameisenkönigin gegründet (Bel-o-kan bedeutet »Stadt der verirrten Ameise«), bedroht von den Kriegen zwischen den Ameisen, den Wirbelstürmen, den Termiten, den Wespen, den Vögeln, überdauert die Stadt Belokan schon seit über fünftausend Jahren.
    Bel-o-kan, der Hauptsitz der roten Ameisen von Fontainebleau.
    Bel-o-kan, die stärkste politische Kraft der Region.
    Bel-o-kan, der Ameisenhaufen, wo die evolutionäre Ameisenbewegung entstanden ist.
    Jede Bedrohung stärkt die Stadt. Jeder Krieg macht sie schlagkräftiger. Jede Niederlage macht sie intelligenter.
    Bel-o-kan, die Stadt mit den sechsunddreißig Millionen Augen, mit den hundertacht Millionen Beinen, mit den achtzehn Millionen Gehirnen. Lebendig und glanzvoll.
    Nr. 103 683 kennt dort sämtliche Kreuzungen, sämtliche unterirdischen Brücken. In ihrer Kindheit hat sie die Säle besucht, wo die weißen Pilze gezüchtet werden, und jene, wo die Läuseherden gemolken werden, oder jene, wo die Zisternen reglos von der Decke hängen. Sie ist durch die Gänge der verbotenen Stadt gelaufen, die einst von den Termiten in das Holz eines Kiefernstumpfs gegraben worden sind. Sie ist Zeugin sämtlicher Verbesserungen gewesen, die die neue Königin Chli-pu-ni durchgeführt hat, ihre alte Abenteuer-gefährtin.
    Chli-pu-ni ist diejenige, die die »Evolutionäre Bewegung«
    erfunden hat. Sie hat auf den Titel einer neuen Belo-kiu-kiuni verzichtet und ihre eigene Dynastie gegründet: die der Königinnen mit dem Namen Chli-pu-ni. Sie hat die Einheit des Längenmaßes geändert: Es gibt nicht mehr den Kopf (3 mm), sondern den Schritt (1 cm). Da die Belokanierinnen immer weitere Reisen unternahmen, war fortan eine größere Einheit nötig gewesen.
    Im Rahmen der Evolutionären Bewegung hat Chli-pu-ni die Chemische Bibliothek errichten lassen, und vor allem hat sie alle Arten von Parasiten gesammelt, die sie auf ihre zoologischen Pheromone hin studiert. Sie versucht vor allem die Arten zu zähmen, die fliegen oder schwimmen können.
    Mistkäfer und Gelbrandkäfer …
    Nr. 103 683 und Chli-pu-ni haben sich lange nicht gesehen.
    An die junge Königin heranzukommen, ist schwierig: sie ist zu beschäftigt mit dem Eierlegen und den Reformen für ihre Stadt.
    Die

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