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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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roten Ameise. Die Soldatin packt daher den Kopf zwischen ihre beiden Vorderbeine und hält ihn vor ihr Gesicht. Es muß etwas bekannt werden, sendet die Schädelkugel aus, auf der linkisch eine einzelne Antenne aufgepflanzt ist.
    Wie unanständig! Ein Schädel, der sich noch äußern will!
    Diese Ameise hat also nicht genug Anstand, den Frieden im Tod anzunehmen. Nr. 103 683 ist einen Augenblick lang versucht, den Schädel in die Luft zu befördern, um ihn mit einem Säurestrahl zu zermalmen, genauso wie sie es früher zum Vergnügen tat. Doch nicht allein die Neugier hält sie zurück: Es gilt immer, die Botschaften derer aufzufangen, die senden wollen lautet ein altes Ameisensprichwort.
    Antennenbewegung. Nr. 103 683 gibt zu erkennen, daß sie gemäß der Vorschrift alles empfangen wird, was dieser unbekannte Kopf aussenden will.
    Der Schädel hat immer größere Schwierigkeiten zu denken.
    Er weiß jedoch, daß er sich an eine bedeutsame Information erinnern muß. Er weiß, daß er seine Gedanken bis oben in seine einzige Antenne aufsteigen lassen muß, damit die Ameise, deren Körper er einst verlängerte, nicht vergebens gelebt hat.
    Aber da er nicht mehr ans Herz angeschlossen ist, wird der Kopf nicht mehr mit Flüssigkeit versorgt. Die Gehirn-windungen sind bereits ein bißchen trocken. Die elektrischen Funktionen arbeiten hingegen, sind noch zufriedenstellend. Im Gehirn ist noch eine kleine Pfütze Neurotransmitter übrig.
    Neuronen nutzen diese geringe Feuchtigkeit und verbinden sich, kleine elektrische Kurzschlüsse beweisen, daß die Gedanken noch zu einigen sinnvollen Abwägungen gelangen.
    Die Erinnerung kehrt zurück.
    Sie waren zu dritt. Drei Ameisen. Aber von welcher Art?
    Rote. Rote Rebellinnen! Aus welchem Nest? Aus Bel-o-kan.
    Sie hatten sich in die Chemische Bibliothek eingeschlichen, um
    … um dort ein äußerst überraschendes Gedächtnispheromon zu lesen. Und wovon war bei diesem Pheromon die Rede? Von etwas Wichtigem. Etwas so Wichtigem, daß die Föderationswache die Jagd auf sie aufgenommen hat. Ihre beiden Freundinnen sind tot. Von den Kriegerinnen umgebracht. Ihre Schädel vertrocknet. Drei Tote für nichts und wieder nichts, wenn er sich nicht erinnert. Er muß die Information aufsteigen lassen. Er muß es. Es ist unabdingbar.
    Vor den Augenkugeln des Schädels steht eine Ameise, die zum fünften Mal fragt, was er mitzuteilen habe.
    Im Gehirn wird eine neue Blutlache aufgespürt. Sie läßt sich dazu benutzen, ein wenig nachzudenken. Die elektrische und chemische Schnittstelle umfaßt ein ganzes Erinnerungsfeld und das Sende-Empfangs-System. Gestärkt von der Energie einiger Proteine und von Zuckerverbindungen, die noch im Vorder-lappen übrig sind, gelingt es dem Gehirn, eine Botschaft zu übermitteln.
    Chli-pu-ni will einen Kreuzzug losschicken, um SIE alle umzubringen. Die Rebellinnen müssen dringend benachrichtigt werden.
    Nr. 103 683 begreift nichts. Diese Ameise, oder besser gesagt: dieser Ameisenrest spricht von »Kreuzzug«, von
    »Rebellinnen« . In der Stadt soll es Rebellinnen geben? Das ist ja was ganz Neues! Doch die Soldatin spürt, daß der Schädel nicht mehr lang wird Zwiesprache halten können. Nur kein Molekül bei unnötigen Abschweifungen verlieren. Was ist die richtige Frage angesichts eines so bestürzenden Satzes? Die Worte kommen wie von selbst aus ihren Antennen.
    Wo finde ich diese »Rebellinnen«, um sie zu benachrichti-gen?
    Der Schädel unternimmt noch einen Versuch, er vibriert stark.
    Über den neuen Nashornkäferställen … Eine Scheindecke …
    Nr. 103 683 geht aufs Ganze.
    Gegen wen ist dieser Kreuzzug gerichtet? Der Schädel zittert. Seine Antennen wackeln. Schafft er es, noch ein halbes Pheromon auszuspucken?
    Ein an der Antenne kaum wahrnehmbarer Nachgeschmack taucht auf. Er enthält nur ein einziges Duftwort. Nr. 103 683
    berührt ihn mit dem letzten Abschnitt ihres Empfindungs-apparates. Sie schnuppert. Dieses Wort kennt sie. Sie kennt es nur zu gut.
    Finger.
    Jetzt sind die Antennen des Schädels vollkommen ausgetrocknet. Sie zerbröseln. In dieser schwarzen Kugel bleibt nicht der geringste Informationsduft.
    Nr. 103 683 ist völlig fassungslos.
    Ein Kreuzzug, um alle Finger zu massakrieren …
    Ausnahmslos.

10. GUTEN ABEND, NACHTFALTER
    Warum ist das Licht so plötzlich verloschen? Der Schmetterling hatte zwar das Feuer gespürt, das ihm die Flügel verzehren wollte, aber er war zu allem bereit, um von der Ekstase des Lichts zu kosten … Er

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