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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Schlüsselsatz, der Sie auf den richtigen Weg bringen wird. Achtung, hören Sie gut zu: ›Je intelligenter man ist … desto weniger Lösungschancen hat man.‹«
    Ohne etwas zu begreifen, klatscht der Saal Beifall.
    Der Moderator grüßt:
    »Liebe Fernsehzuschauer und -zuschauerinnen, greifen auch Sie zu den Kugelschreibern! Und bis morgen, wenn Sie Lust dazu haben!« Jacques Méliès zappte zu den Regionalnachrichten. Eine zu stark geschminkte Frau mit tadelloser Frisur leierte gleichgültig den Text herunter, der auf ihrem Prompter ablief: »Nach dem glänzenden Erfolg von Kommissar Jacques Méliès im Fall Salta hat Präfekt Dupeyron vorgeschlagen, den hervorragenden Kriminalpolizisten in den Rang eines Offiziers der Ehrenlegion zu erheben. Wie aus gut unterrichteter Quelle verlautet, überprüft das Präsidialamt die Kandidatur wohlwollend.«
    Angeekelt schaltete Jacques Méliès seinen Apparat ab. Was sollte er jetzt tun? Weiterhin den Star spielen und den Fall begraben oder stur bleiben, den Versuch unternehmen, die Wahrheit herauszubekommen – und auf seinen Ruf als unfehlbare Spürnase zu pfeifen?
    Im Grunde wußte er genau, daß ihm keine Wahl blieb. Der Reiz des perfekten Verbrechens war zu stark. Er griff nach dem Telefon:
    »Hallo, ist dort das Leichenschauhaus? Geben Sie mir den Medizinmann …« (Eine lästige kleine Melodie.) »… Hallo, Doktor, ich brauche eine lückenlose Autopsie der Brüder Salta
    … Ja, es eilt!«
    Er legte auf, wählte eine andere Nummer:
    »Hallo, Emile? Kannst du mir die Akte über die Journalistin vom Sonntagsecho raussuchen? Genau, Laetitia Dingsda. Gut, triff mich in einer Stunde im Leichenschauhaus. Und ach, Emile, eine kleine Frage: Was auf der Welt macht dir am meisten angst? … Ach was, das? Irre. Ich hätte nie gedacht, daß das irgend jemandem Angst machen kann … Na schön, ab zum Leichenschauhaus.«
     

21. ENZYKLOPÄDIE
     
    INDIANERFALLE: Die kanadischen Indianer gebrauchen eine höchst primitive Bärenfalle. Sie besteht aus einem großen, mit Honig eingeschmierten Stein, der an einem Seil von einem Baum herabhängt. Wenn ein Bär ihn bemerkt und für einen Leckerbissen hält, kommt er näher und versucht den Stein zu packen, wobei er ihm Schläge mit den Tatzen versetzt. Er löst damit eine Schaukelbewegung aus, und jedesmal wenn der Stein zurückschwingt, bekommt der Bär einen Hieb. Der Bär verliert die Geduld und haut immer fester zu. Und je heftiger er zuhaut, um so heftiger auch der Aufprall des Steins. Bis zu seinem endgültigen K. O.
    Der Bär ist nicht imstande zu denken: »Und wenn ich diesen Kreislauf der Gewalt anhalten würde?« Er empfindet nichts als Frustration. »Man versetzt mir Schläge, also gebe ich sie heraus!« sagt er sich. Daher seine ungeheure Wut. Wenn er jedoch zu schlagen aufhören würde, bliebe der Stein stehen, der Bär würde sich beruhigen und dann vielleicht merken, daß es sich nur um einen toten Gegenstand an einem Seil handelt.
    Er brauchte dieses bloß mit seinen Fangzähnen abzutrennen, der Stein würde herunterfallen, und er könnte den Honig ablecken.
    Edmond Wells Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Bd. 2

22. MISSION IM SAAL DER ZISTERNEN
    Hier im 40. Stockwerk unter der Erde wimmelt es nur so. Der August lastet schwer, und die Hitze macht alle nervös, sogar nachts, sogar tief unten.
    Aufgeregte belokanische Kriegerinnen beißen grundlos die Passanten. Arbeiterinnen laufen mit dem Honigtau zwischen den Kammern zur Eierpflege und den Vorratskammern hin und her. Im Ameisenhügel Bel-o-kan ist es heiß.
    Die Masse der Bürgerinnen fließt wie lauwarme Lymphe dahin. Der Trupp der dreißig Rebellinnen schleust sich unauffällig in den Saal der Zisternenameisen ein. Voller Bewunderung betrachten sie deren »Sumos«. Die Zisternenameisen bilden eine Art praller, goldglänzender Trauben mit dunkelroten Streifen. Diese Trauben bestehen eigentlich aus den aufs Äußerste gedehnten Chitinpanzern einzelner Ameisen, die den Kopf nach oben, den Hinterleib nach unten an der Decke hängen.
    Arbeiterinnen saugen eifrig den gehaltvollen Nektar aus ihnen heraus und füllen auch die leeren Kröpfe auf.
    Manchmal kommt die Königin Chli-pu-ni persönlich, um sich an den Zisternen gütlich zu tun. Ihre Anwesenheit läßt diese phänomenalen Insekten gleichgültig, deren Unbeweg-lichkeit sie zu einer Philosophie der Trägheit geführt hat.
    Manche behaupten, ihre Gehirne seien geschrumpft. Der Gebrauch stärkt das

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