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Der Tag der Dissonanz

Der Tag der Dissonanz

Titel: Der Tag der Dissonanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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baute sich in aggressiver Haltung am Fuß der Treppe auf. »'alt mal 'n Augenblick die Luft an, Chef.« Der Otter musterte die Besitzerin mit einem gelbsüchtigen Auge. »Von diesem Schuppen 'ier 'at man mir jetzt schon wochenlang erzählt? Diese zusammengeschusterte, wurmstichige Bude soll der wunderbare, der prächtige, der phantastische Laden ›Irgends und Nirgends‹ sein? Und du bist die Besitzerin?«
    Die Känguruhdame nickte.
    »Na«, verkündete Mudge angewidert, »kann nicht be'aupten, daß der nach viel aussieht!«
    »Mudge!« Wütend packte Jon-Tom den Otter an der Schulter. Doch die Besitzerin wirkte keineswegs erzürnt. »Der äußere Schein kann oft trügen, mein zottiger kleiner Vetter.« Sie wandte sich Jon-Tom zu, während sie sich erhob und auf ihre gewaltigen Füße stellte. Sie war ebenso groß wie er, und die brüchigen Verandabretter knarzten unter ihrem Gewicht.
    »Ich sehe euch an, daß ihr von weit hergekommen seid, um eure Einkäufe zu tätigen. Bis auf die Crancularnier kommen meine meisten Kunden von weit her, um bei mir einzukaufen, und manche auf sehr komplizierte Weise. Manchen verkaufe ich etwas, anderen nicht.« Sie drehte sich und zeigte auf eine dünne gekrakelte Inschrift auf einem Stück Holz, das über der Tür an die Wand genagelt worden war. Auf dem Schild standen die Worte: WIR BEHALTEN UNS DAS RECHT VOR, NICHT ZU BEDIENEN.
    »Wir kommen nicht, um in eigener Sache deine Hilfe zu erbitten«, sagte Jon-Tom. »Wir sind hier auf Bitte eines großen Hexers, der in den Glockenwäldern weit hinter dem Glittergeistmeer lebt. Sein Name ist Clodsahamp.«
    »Clodsahamp.« Nachdenklich glitzerten Augen hinter der Großmutterbrille. Sie streckte eine Hand aus, mit der Fläche nach unten, und hielt sie in etwa ein Meter zwanzig Höhe über die Verandafläche. »Schildkröte, alter Herr, etwa so groß?«
    Jon-Tom nickte eifrig. »Genau, das ist er. Bist du ihm schon mal begegnet?«
    »Nö. Aber ich kenne ihn vom Hörensagen. Als Hexer ist er ziemlich weit oben an der Spitze.« Diese Enthüllung beeindruckte selbst den zweifelnden Mudge, der Clodsahamp immer eher für einen talentierten Fakir am Rande der Senilität gehalten hatte, der nur ab und zu ein bißchen Glück zu haben pflegte. »Was ist denn los mit ihm?«
    Jon-Tom fummelte an dem Fläschchen, das an seinem Hals hing, und holte ein kleines Papier daraus hervor. »Er sagt, er läge im Sterben, und er leidet unter schrecklichen Schmerzen. Er meint, das hier könnte ihn heilen.«
    Snooth nahm den Fetzen entgegen, rückte ihre Brille zurecht und las. Ihre Lippen bewegten sich, während sie das Gelesene aufnahm. »Ja... ja, ich glaube, das haben wir auf Lager.« Sie blickte Jon-Tom wieder an. »Deine Hingabe an deinen Mentor spricht für dich.«
    Was in ihm mehr als nur ein oberflächliches Schuldgefühl auslöste, denn der Hauptgrund, weshalb er die Reise unternommen hatte, bestand darin, daß er seine Chance, einmal nach Hause zurück kehren zu können, dadurch erhöhen wollte, daß er für den Erhalt von Clodsahamps Gesundheit sorgte.
    »Du überschätzt meine Selbstlosigkeit.«
    »Ich glaube nicht.« Sie musterte ihn auf höchst merkwürdige Weise. »Du bist besser, als du dir selbst eingestehst. Deshalb würdest du auch einen guten Richter abgeben. Deine gesunden Instinkte sind stärker als deine bloße Vernunft.«
    Jon-Toms Augen weiteten sich schon zum zweiten Mal seit ihrer Begegnung. »Woher weißt du, daß ich damit beschäftigt war, Rechtswissenschaften zu studieren?«
    »Glück beim Raten«, meinte Snooth zerstreut und schob das Thema beiseite, obwohl Jon-Tom es zu gerne weiter verfolgt hätte. Sie streckte das Papier mit der Formel vor. »Darf ich das behalten?«
    Jon-Tom zuckte mit den Schultern. »Warum nicht? Wir brauchen nur die Medizin.«
    Snooth steckte das Papier säuberlich in ihren Beutel. Wieder meinte Jon-Tom, eine Bewegung darin auszumachen. Wenn Snooth ein Känguruhjunges mit sich trug, dann war es offenbar noch zu jung oder zu scheu, um sich zu zeigen.
    »Kommt rein.« Sie drehte sich um und öffnete die Tür.
    Ihre Besucher stiegen die Treppe empor und schritten über die Veranda. Das vorderste Zimmer des Baus war in schlichtem, kaleidoskopischem Stil eingerichtet. Auf einer Seite stand ein weiterer Schaukelstuhl, der allerdings nicht aus Holz gefertigt war, sondern aus durchsichtigen Seifenblasen bestand, die an einem dünnen Metallrahmen hafteten. Die Blasen bewegten sich träge wie im Zeitlupentempo und

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