Der Tag der Rache. Private Berlin
einschenkte.
»N ein, ich habe das Zimmer im Hotel de Rome behalten«, antwortete er. »W ie nimmt dein Sohn die Sache auf?«
»E r könnte nicht besser damit umgehen. Danke.«
Morgan nickte. »I ch mochte Chris. Er war ein guter Mensch, und wenn gute Menschen sterben, erinnert einen das immer an alle anderen Menschen, die man verloren hat.«
»I ch habe letzte Nacht von meiner Mutter geträumt«, sagte Mattie. »I m Traum war sie mit Chris zusammen.«
»D ein Vater lebt in den USA , oder? Als Polizist.«
»C hicago.«
»W en hast du verloren, Jack?«, wollte Katharina wissen.
Jack dachte nach. »W affenbrüder, gute Freunde und eine langjährige Geliebte.«
»W ie starb sie?«, fragte Mattie.
»J ustine lebt noch. Tot ist das, was zwischen uns war.«
»U nd wie lange ist das her?«
»E in paar Jahre. So lange, dass ich darüber hinweg sein müsste.«
»A ber du bist es immer noch nicht?«
»D ie Sache mit Justine ist wie das Meer, bei dem die Wellen kommen und gehen. Auch meine Beziehung kommt immer wieder zurück. Besonders weil Justine für Private in L. A. arbeitet.«
»D u hast echt ein kompliziertes Leben, Jack«, merkte Katharina an.
»M -hm.«
»K eine neue Liebe in petto?«, fragte Mattie.
Er lachte wenig begeistert. »I ch suche immer nach einer Beziehung, bin aber nicht gut darin, eine aufzubauen.«
»U nd ich bin nicht gut darin, sie aufrechtzuerhalten.«
»M ir kommt es so vor, als wäre sie dir entrissen worden, ohne dass du was dafür kannst«, tröstete Katharina Mattie. »I ch kümmere mich wieder um Hermann Krüger.«
Mit Tränen in den Augen nickte Mattie, doch sie weigerte sich, schon wieder zu weinen, und erhob sich. »I ch werde den Dok suchen. Es wird Zeit, dass ich endlich Chris’ Geheimnis um seine grausame Kindheit lüfte.«
43
Dr. Gabriel in seinem Labor im ersten Stock von Private Berlin trug eine schwarze Jeansjacke, ein rotes Stirnband und ein Sweatshirt mit dem Aufdruck von Jimi Hendrix’ »L ive at the Monterey Pop Festival« mit roter, brennender Gitarre.
Mattie erklärte ihm, was sie wollte, woraufhin er gnädig die Arbeit niederlegte, mit der er gerade beschäftigt war. Auf einem großen Bildschirm öffneten sie alle Dokumente, Bilder und Videos und stellten sie nebeneinander, um sie sich gleichzeitig ansehen zu können.
Zuerst studierten sie Chris’ Akte in den Private-Unterlagen. Dazu gehörte eine eingescannte Geburtsurkunde, die besagte, dass Christoph Rolf Schneider 1975 in Dresden als Sohn von Alfred und Maria Schneider geboren worden war. Sie versuchten, die Geburtsurkunde zu bestätigen, fanden aber keinen in Dresden registrierten Christoph Rudolf Schneider. Und im Eheregister fanden sie keinen Eintrag für Alfred und Maria Schneider.
Sie erweiterten die Suche auf die gesamte ehemalige DDR und fanden mehrere Männer namens Christoph Schneider, doch keiner entsprach auch nur annähernd Chris’ Alter. Und nirgendwo fanden sie einen Eintrag über die Eheschließung zwischen Alfred Schneider und einer Frau mit dem Vornamen Maria. Sie gruben tiefer und versuchten es auf Schuldatenbanken. Auch hier nichts.
»L angsam glaube ich, nichts an Chris war echt«, zweifelte Ernst Gabriel.
»K ann ich verstehen.« Mattie war sichtlich verwirrt. »A ber er war echt. Machen wir weiter. Befinden sich seine Bundeswehrunterlagen in seiner Personalakte?«
»B estimmt«, sagte Gabriel und öffnete sie eine Minute später auf dem Bildschirm.
Chris’ Bild entlockte Mattie ein Lächeln. Er sah so jung aus. Die Informationen stimmten im Wesentlichen mit den Angaben in seiner Bewerbung überein, nachdem er seinen Dienst bei den Feldjägern quittiert hatte: gleiche Namen der Eltern, gleiche gefälschte Geburtsurkunde aus Dresden, gleiche gefälschte Adresse.
Mattie hatte das Gefühl, sie seien vor einer undurchdringlichen Mauer gelandet, doch dann fiel ihr in den Bundeswehrunterlagen etwas auf, das Chris’ Ausbildung betraf. Unter der Angabe der Grund- und weiterführenden Schulen wurde das »W aisenhaus 44« genannt, das südlich von Berlin und östlich von Halle lag.
»E rnst, wo würde man Unterlagen aus DDR -Waisenhäusern aufbewahren?«
Ernst Gabriel dachte kurz nach. »I ch weiß nicht, vielleicht im Bundesarchiv?«
44
»P rofessor Gröning?«, ruft mich jemand um Punkt zehn Uhr.
Das nennt man deutsche Präzision, meine Freunde! Gibt es etwas Beruhigenderes?
Lächelnd schlurfe ich von meinem Platz in der hinteren linken Ecke des Lesesaals zum Schalter,
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