Der Tag der Rache. Private Berlin
erhielt, in der Gethsemane-Kirche gegen die Demonstranten vorzugehen. Ich hatte auch davon gehört, dass Akten vernichtet wurden. Also habe ich mich drei Wochen vor dem Mauerfall aus dem Staub gemacht und mich den Protesten angeschlossen.«
Harald Gottschalk ließ nicht locker. »W arum also dann die Lügen?«
»D u weißt doch, Harald, wie seltsam die Zeit nach dem Mauerfall war«, erklärte Dietrich weiter. »I ch hatte keine Arbeit, kaum was zu essen, keine Wohnung. Und viele Menschen aus dem Osten wollten sich zu Recht an allen rächen, die irgendwas mit der Stasi zu tun hatten. Ich hatte nichts Falsches getan, und trotzdem– Mitglied der Stasi und Sohn eines Stasi-Obersts zu sein hätte mir in dem neuen Deutschland nur geschadet. Deswegen habe ich gelogen.«
»W as ist mit dem Schlachthaus?«, fragte Mattie. »H atten Sie den Verdacht, dass es als Folterkammer genutzt wurde? Oder wussten Sie es?«
Dietrich holte tief Luft. »I ch hatte den Verdacht.«
Er beschrieb einen Abend in seiner Jugend. Sein Vater war betrunken nach Hause gekommen und hatte telefoniert. Dietrich hatte mit angehört, was der Oberst gesagt hatte.
»E r hat über alle möglichen Dinge gewettert«, erinnerte sich Dietrich. »A ber dann sagte er, er fürchte, man könne ihn wegen ›barbarischer Geheimnisse‹ in Zusammenhang mit dem Schlachthaus in Ahrensfelde belasten. Er hat auch gesagt, er werde wegen ›dieses Mannes‹ nicht ins Gefängnis gehen.«
»A uf wen bezog er sich?«, fragte Mattie weiter.
»D as weiß ich nicht.«
»H aben Sie ihn je gefragt?«, wollte Kommissar Weigel wissen.
Dietrich räusperte sich. »Z wei Mal. Beide Male innerhalb der letzten fünf Tage. Das erste Mal sagte er, ich solle mich vom Schlachthaus fernhalten. Beim zweiten Mal starb er an einem Herzinfarkt.«
»W er außer Ihrem Vater wusste sonst noch vom Schlachthaus?«, fragte Mattie. »W ussten Sie, mit wem er an jenem Abend telefoniert hat?«
»N icht mit Sicherheit«, antwortete Dietrich. »A ber ich vermute, mit einem der Männer, die mir gestern geholfen haben, meinen Vater zu beerdigen.«
1 09
In einem Zimmer im dritten Stock des Hotel de Rome ging Jack Morgan auf und ab und ließ seinen Blick immer wiede r z wischen seiner Uhr, dem Fernseher und Daniel Brechts iPad hin und her gleiten.
Der Sportreporter berichtete lebhaft darüber, wie Cassiano es in einem der seltenen Nachmittagsspiele geschafft hatte, die Verteidigung der Düsseldorfer zu sprengen und vier Tore zu schießen, zwei davon ohne Hilfe seiner Mannschaft.
Brechts Bildschirm zeigte den Hotelflur und das Innere des angrenzenden Hotelzimmers, in dem Perfecta in weißem Bademantel vor dem Spiegel stand und sich schminkte.
»I ch verstehe immer noch nicht, warum sie bei Pavels Wettbetrug mitgemacht hat«, sagte Georg Johannson. »I ch meine, seht sie euch doch nur an. Sie hätte alles haben können, was sie wollte.«
Morgan zuckte mit den Schultern. »I ch vermute, es steckt mehr dahinter, als sie uns erzählt. Das tut es immer. Aber zwanzig Millionen Euro sind ein handfestes Motiv für ein Verbrechen, egal, wie schön man ist.«
»E s geht los.« Brecht deutete auf die Übertragung aus dem Flur, auf der Maxim Pavel wütend an der Kamera vorbeistürmte. Sie hörten, wie er, unsichtbar auf dem iPad, an die Tür nebenan klopfte.
Perfecta rührte sich nicht. »M achen Sie auf«, wies Brecht sie über ihren Kopfhörer an. »B ringen Sie ihn zum Reden.«
»I ch kann nicht«, flüsterte sie.
»S ie können, wenn Sie wollen, dass irgendein Richter Nachsicht mit Ihnen hat.«
Perfecta nickte und öffnete zögernd die Tür. »M axim!«, sagte sie. »D u bist früh dran! Ich bin noch nicht…«
Der russische Nachtclubbesitzer verpasste ihr eine so harte Ohrfeige, dass sie rückwärtsstolperte und auf dem Boden landete. »D u Nutte!«, fauchte er und trat mit dem Fuß die Tür hinter sich zu. »D u dämliche brasilianische Nutte!«
»W as ist los, Maxim?«, rief Perfecta, die vor ihm in Deckung ging. »W as habe ich gemacht?«
»G emacht?«, rief er. »D ein Mann hat heute Nachmittag so hervorragend gespielt, dass ich auf einen Schlag mehrere Millionen verloren habe! Mehrere Millionen!« Mit diesen Worten stürzte er sich auf sie, legte seine Hände um ihren Hals und drückte zu.
»J etzt!«, gab Morgan das Kommando.
Johannson stürmte mit gezogener Waffe durch die Tür ins Nachbarzimmer. »P olizei!«, rief er. »K eine Bewegung!«
Er packte Pavel am Kragen, zerrte ihn hoch
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