Der Tag der roten Nase
Schwachsinnige, was ich mit aller Macht versuchte, in Richtung Zunge zu schicken, blieb unterwegs stecken wie auf einem zugewucherten Weg oder in einer verkalkten Ader.
»Ach ja?«, fragte Karkku der Riese und puzzelte mitten auf seinem furchtbaren Kopf ein gewaltiges Lächeln zusammen. Er hatte gerade und blütenweiße Zähne, die fast nach einer Fabrikanfertigung aussahen. »Ganz schön viel Verantwortung für einen einzelnen Menschen«, fuhr er fort und lächelte noch mehr und wirkte dabei ein bisschen selbstzufrieden und überraschenderweise auch ein wenig jungenhaft, als hätte er plötzlich kapiert, dass er eine pfiffige Filmszene nachspielen durfte.
»…sführung wegen hier«, gelang es mir schließlich zu ächzen. Im Innern meiner Schuhe machten die Zehen nervös la Ola von links nach rechts und zurück. »Haushaltsforschung«, sagte ich. »Nach der Haushaltsführung forsche ich … also frage ich, wollte ich sagen. Also ich wollte. Ein bisschen Zeit. Ihre Zeit. Für mich. Haushaltsforschung !«
Das letzte Wort schrie ich fast. Ich fühlte mich entsetzlich, es war schwer zu sagen, inwiefern, plötzlich wollten mir die Tränen kommen; da hatte ich es nun doch irgendwie geschafft, dass ich mit den Menschen einigermaßen zurande kam, aber dieser, na ja, Koloss, diese Laune der Natur oder was es nun einmal war, der machte mir mit seiner ganzen Maßlosigkeit einfach Angst, mit seiner Form wie mit seiner korrekten heiteren Freundlichkeit. Es frustrierte und ärgerte mich, aber irgendwie verstand ich ihn auch. Er hatte sich wahrscheinlich kurz bevor ich bei ihm läutete schon über irgendeinen riesigen Gedanken amüsiert. Das aber war plötzlich das Allerschlimmste. Zu verstehen, dass er weder was Schlechtes noch was Gutes wollte. Er wollte einfach nicht.
»Und ich dachte schon, Sie wollen etwas verkaufen«, sagte er dann nachdenklich, und seine kleinen Augen rollten irgendwo Lichtjahre entfernt. »Was fragen Sie denn so beziehungsweise wonach? Kriegt man was dafür?«
Ich überging die erste Frage und gab lediglich zurück, man kriege gute Laune. Es war schwer zu sagen, mit welchem Unterton meine Stimme aus dem Mund gekommen war, aber mir wurde gleichzeitig klar, dass mir aus purem Trotz siedende Röte ins Gesicht stieg. Da wollte ich dann auch gleich für einen Ausgleich sorgen und alles erklären, aber nun waren die Worte wieder irgendwo in den Kieferhöhlen verklumpt. Ichschaute an dem Riesen vorbei, im Fenster passierte etwas, es dauerte einen Moment, bis ich den gesamten Vorgang erfasste, auf der anderen Seite des Marktplatzes wurde auf einem Hausdach eine neue Leuchtreklame installiert. Den Text konnte ich nicht lesen. Ich hatte Panik in den Augen und anderswo.
Dann kam sie, die Rettung, per Telefon. In meiner Handtasche fing es an zu zappeln, ich grub das Handy aus, im Treppenhaus war inzwischen das Licht erloschen, der Apparat surrte und blinkte und warf so etwas wie das Licht der Vernunft ins Halbdunkel, mein Sohn, der Junge war es wieder, guter Junge, anständiger Junge, Sohn zur rechten Zeit. Ich stach mit dem Daumen auf irgendeine Taste, gut, dass der Nagel nicht abbrach, knallte mir das Handy ans Ohr und brüllte Hallo.
In der Leitung herrschte eine derart vollkommene Stille, dass ich lediglich mein eigenes Keuchen hörte. Ich rief erneut Hallo, dann schaute ich auf den Hörer, der seinen Glanz bereits eingebüßt hatte, und dann auf den Goliath, der schon viel zu lange vor mir stand. Er glotzte mit schief gelegtem Kopf und so ausdruckslos zurück, wie es bei seiner in jeder Hinsicht überspannten äußeren Erscheinung möglich war. Ich hauchte noch ein Hallo ins Handy und stopfte das verstummte und erloschene Ding wieder in die Handtasche.
Die Götter der Kommunikation oder wer auch immer waren mir aber gewogen und gaben mir noch eine Chance. Jetzt fing nämlich in der Wohnung das Telefon zu schmettern an, die Vesivehma-Polka war es, ein erfreulich unvernünftiger Klingelton für einen Mann, der in der Lage war, beim Polkatanzen eine mittelgroße finnische Stadt dem Erdboden gleichzumachen,ja, auch das konnte ich noch denken, aber mehr nicht, weil nach einer kurzen Pause das Handy erneut loslegte und gleichzeitig aus einem anderen Zimmer ein Vogel, der sich ebenfalls groß und beängstigend anhörte, den Ruf erwiderte. Da kam Karkku endlich zu sich und sagte in an sich ganz und gar nicht feindseligem Ton: »Ich glaube, wir müssen es aufs nächste Mal verschieben. Tschüs.«
Damit schloss er
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