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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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wolltest es ja unbedingt wissen. Das ganze Bad ist voller Schwaden.«
    »Gut sieht es aus«, ächzte ich, während ich die Stiefel auszog. Auch den Mantel musste ich noch loswerden, das dauerte ein bisschen, weil vom Regen alles klamm war und mir auch sonst die Koordinaten abhandengekommen waren. Irja half mir jedoch, ohne große Worte. Dabei sagte sie: »Die Nase sieht übrigens auch gut aus.«
    »Ach ja«, sagte ich wieder mit der betonungsfreien gepressten Stimme, weil ich einfach nicht herausfand, in welchem Ton sie mit mir redete. Dann lächelte sie jedoch leicht, und da konnte ich dann selbst nicht anders, als mich an einem Lächeln zu versuchen, obwohl bereits eine kühle beleidigte Böe kurz meine Fingerspitzen aufgesucht hatte, aus irgendeinem Grund ausgerechnet die Fingerspitzen, als wäre dort ein schrecklicher Würgeimpuls hineingehuscht, ein unheimlicher Gedanke, ich stieß ihn sogleich von mir. Dann begaben wir uns auch schon tiefer in die Wohnung hinein, der Küche entgegen, aber auf Höhe der Wohnzimmertür gerieten wir ins Stocken, sie stand offen, die Tür, aus dem Fernseher drang undeutliches Gemurmel. Irja wurde offensichtlich kurz von Verwirrung erfasst, weil sie mir nicht den bei zugezogenen Vorhängen im bläulichen Fernsehschimmer auf der Couch liegenden Mann vorstellte, sondern lediglich halb schlaff ins Wohnzimmer wies, als wollte sie sagen, das wäre dann also der da. Ich stand regungslos an der Tür, starrte in den dämmrigenRaum und wartete auf eine Gebrauchsanweisung für die Situation. Es roch ein wenig so, als wäre hier gerade erst gestritten worden, solche Nachspannungen wittert man immer, mir wurde unheimlich zumute, in der Magengegend bildete sich ein Loch, eines, bei dem man nicht wusste, war es Hunger oder nur bodenlose Hohlheit, so ein totales Fehlamplatzsein.
    »Der sieht vielleicht scheiße aus, der Flegel«, knurrte der Mann dann unvermittelt. Er hatte einen wässrigen Blick und trug die Kriegsausrüstung wenn nicht eines Frauenverprüglers, so doch eines gewöhnlichen Scheusals: ärmelloses Unterhemd und ausgebeulte Trainingshose. Die weißen Tennissocken leuchteten unter dem gläsernen Couchtisch.
    Jetzt geriet ich erst recht aus dem Konzept. Ich erschrak, als würde ich ständig irgendwo anrempeln, obwohl ich die ganze Zeit auf der Stelle stand. Was wollte er damit sagen, der Mann? Irgendwie dachte ich gleich, dass er mich mit seiner Äußerung meinte, obwohl das nicht sein konnte, auch wenn man mich innerhalb von knapp zwei Stunden schon als Mädchen und als Onkel bezeichnet hatte. Ich fühlte mich, als hätte ich Vasen, Fotos und sonstige wichtige Dinge von Kommoden und Tischen gestoßen. Da konnte man nichts weiter tun, als zu hoffen, dass sich der Mann auf der Couch nicht als Ungeheuer entpuppte, das wäre einfach zu viel gewesen, ganz und gar zu viel, so kurz nach der Begegnung mit der schrecklichen Frau bei Hätilä. Und je mehr ich hoffte, Irjas Mann sei ein guter Kerl, umso größere Angst hatte ich, er könne vollkommen vergeblich sein, dieser Wunsch.
    Da er weiterhin nicht zu bemerken schien, dass Besuch im Haus war, und da es auch bei Irja nun irgendwo klemmte, produzierte ich ein klunksendes Räuspern.
    »Jetzt aber«, posaunte der Kerl und drehte seinen eckigen, stoppeligen Kopf in Richtung Tür, weil er nun merkte, dass dort Leute standen.
    »Das ist Irma«, sagte Irja.
    »Tag«, sagte ich.
    »Tag. Und äh, Entschuldigung, äh, wegen eben, ich hab nicht gemerkt, dass ihr da steht. Aber guckt euch das an.«
    Wieder hakte er seinen Blick in dem flachen Fernsehschirm ein, der in einem buchfreien Bücherregal stand. Ich konnte darin nichts Außergewöhnliches entdecken, weder im Fernseher noch im Programminhalt, irgendeinen siebzehn- oder achtzehnjährigen Bengel hatte man im schwarzen Anzug an einen Flügel gesetzt, mir sprang daran nichts weiter ins Auge außer der steifen, vom Anzug erzwungenen Körpersprache des Jungen. Den Hausherrn schien dessen Benehmen jedoch irgendwie aufzuregen, mir blieb völlig unklar, was an dem Burschen ihn so in Rage brachte. Und als Irja dann sagte: »Komm, wir gehen Kaffee kochen«, folgte ich ihr wankend, aber dankbar in die Küche.
    »Das war Reino«, sagte Irja dann, als wir am Tisch saßen. »Er ist gerade beurlaubt.«
    »Autsch«, quiekste ich. Von den Jalkanens nebenan drang ein betongedämpfter Schrei herüber und wenig später ein Poltern, das eine der Wurzeluhren um einen Zentimeter verrutschen ließ, worauf mir prompt

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