Der Tag der zuckersueßen Rache
welche? Aber nun zu einem anderen Thema. Hier kommt etwas sehr Ärgerliches. Cass hat uns heute Morgen erzählt, dass sie Matthew Dunlop am Anfang ihres Briefkontakts hauptsächlich deshalb glaubte, weil ein Mädchen aus unserer Stufe, Bindy Mackenzie, ihr erzählt hat, SIE WÜRDE SEINEN NAMEN KENNEN. Bindy sagte, Matthew Dunlop HÄTTE LETZTES JAHR BEIM SCHULBEZIRKSKONZERT TROMPETE GESPIELT. Also bitte! Daraufhin fragte Cass Matthew in ihrem Brief: »Wie läuft’s mit der Trompete?«, und Matthew spielte einfach mit und bestätig te, er würde Trompete spielen. Was Cass veranlasste, ihm zu ver trauen, weil sie selbst so musikalisch ist. Lyd und ich haben uns Bindy Mackenzie gestern vorgeknöpft, um der Sache auf den Grund zu gehen, und weißt Du, was sie sagte? Sie sagte: »Ach, vielleicht war es auch ein Michael Dunlop, der da Trompete gespielt hat.« Du kannst Dir sicher vorstellen, dass wir sie am liebsten umgebracht hätten! Warum hat sie Cass erzählt, sie sei sich sicher, dass er Matthew Dunlop hieß, wenn sie sich GAR NICHT SICHER GEWESEN SEIN KANN? Sie ist ja so was von bescheuert! Und jetzt tun mir die Augen weh, wenn ich Bindy Mackenzie auch nur anschauen muss, und das Schlimmste ist, dass sie offen bar auch noch SCHLAU ist. In Englisch ist sie immer Klassenbeste. Diese dumme Kuh! Und wenn ich noch in der Bibliothek bleibe, um Hausaufgaben zu machen, sitzt sie auch immer da mit ihrem Laptop, an einem Fensterplatz, und tippt wie wild. Sie gehört zu diesen Streberinnen, die die Tasten nur ganz leicht berühren und dabei möglichst laut mit den Nägeln klappern, um damit an zugeben, wie schnell sie tippen können. Außerdem schaut sie sich beim Tippen immer um oder starrt aus dem Fenstern damit auch alle merken, dass sie die Tasten blind findet. Was für eine dämliche Schnepfe! Ich kann sie nicht ausstehen. Egal. Wie war Dein Wochenende? Meins war ziemlich gut. Freitagabend kamen mein Onkel Christopher und meine Tante June vorbei, um meinen Bruder abzuholen, weil meine Eltern übers Wochenende wegmussten. Es war ziemlich unangenehm: Onkel Christopher hat Mundgeruch, wie ich Dir ja schon erzählt habe, und redet in einem fort, Tante June ist dagegen eine überaus eloquente Frau und bringt kaum einen Satz heraus. Ich war froh, als sie abfuhren und Cass und Lyd kamen.
Liebe Grüße
Em
Liebe Em,
wie wär’s, wenn wir uns zu einer weiteren Übungsstunde treffen
und über die Sachen reden, die Du in Deinem Brief erwähnt
hast?
Dein Charlie
PS: Du sagtest, Deine Tante June sei eine »eloquente« Frau, die kaum einen Satz herausbringe. Ich verstehe nicht, wie das gemeint sein soll. Ich wusste nicht genau, was »eloquent« überhaupt bedeutet, deshalb habe ich meine Mutter danach gefragt und sie sagte, jemand sei eloquent, wenn er viel redet und sich gut ausdrücken kann. So wie Du in Deinen Briefen.
Lieber Charlie,
hör mal, Charlie, es gibt wirklich keinen Grund, weshalb Du mei ne Sprache verbessern solltest. Mir ist aufgefallen, dass das allmählich schon fast zu Deiner Gewohnheit wird, und ich finde es sehr merkwürdig, dass »eloquent« ausgerechnet »gesprächig« heißen soll. Für mich hat »eloquent« einen eher nervösen, zappeligen Klang und passt deshalb haargenau zu Tante June. Aber lassen wir das. Ich erzähle Dir lieber eine Geschichte, die ich heute in Deutsch gelernt habe. Mrs McAllister hat uns sogar ein Video davon gezeigt, deshalb wissen wir, dass die Geschichte auch wirklich wahr ist. Also, Folgendes ist passiert: Ein früherer Präsident der Vereinigten Staaten war auf Besuch in Berlin und rief der Menge zu: »Ich bin ein Berliner!!« Aus irgendeinem Grund, den ich nicht ergründen konnte, wollte er damit sagen: »Ich bin ein Einwohner Berlins!!« (Was gar nicht stimmte.) Aber aus irgendeinem Grund, den ich ebenfalls nur schwer nachvollziehen konnte, sagte er in Wirklichkeit damit: »Ich bin ein Pfannkuchen!!« Ich glaube, dass Mrs McAllister uns das Video gezeigt hat, um uns eine Lektion darin zu erteilen, wie man sich zum Narren machen kann, wenn man nicht genau weiß, was man da sagt. ABER , die Lektion, die ich lernte, ist die: Nachdem der Präsident »Ich bin ein Pfannkuchen!!« gerufen hatte, JUBELTE die Menge. Sie BRÜLLTEN und JUBELTEN . Verstummten sie und schämten sich für ihn? Lachten sie ihn aus und verspotteten ihn? Riefen sie: »PS, Mr President, Sie haben ein falsches Wort verwendet?« Nein! Taten sie nicht.
Weil sie wussten, was er damit sagen wollte.
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