Der Tag der zuckersueßen Rache
nicht mag .
Ich mag keine Rosinen im Kuchen, vor allem nicht in einem Kuchen, der so aussieht, als würde er keine Rosinen enthalten. Ich
hasse es, morgens aufzustehen, vor allem, wenn es kalt ist, und
ich mag keine Strumpfhosen, Schuhe, Schnürsenkel, Schuhcreme, Haarbänder, Haartrockner und Bahnausweise.
Ich mag Socken, Stifte, Nagellack, Krimis und Agentenfilme.
Ich mag Zwergpinguine, Wale, Huskys und Pelikane. Ich mag es,
nach vierblättrigen Kleeblättern und Muscheln zu suchen. Und
am Nachthimmel nach dem Weihnachtsmann und seinem Schlitten Ausschau zu halten. Dafür konnte ich den Osterhasen noch
nie leiden.
Ich habe noch Jahre, nachdem ich erfahren hatte, dass es ihn
nicht gibt, an den Weihnachtsmann geglaubt.
Ich mag Bacardi Breezers, Kahlua und Milch, Sangria und Tequila.
Und ich hätte gerne ein Eidechsentattoo am Knöchel.
Und jetzt werde ich Dir ein paar Sachen aufzählen, die mir am
letzten Wochenende gefallen haben.
Mir gefiel, wie Du mich die gesamte Fahrt nach Balmoral über kein einziges Mal angeschaut hast. Aber die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, als würdest Du versuchen, mich aus den Augenwinkeln zu beobachten. Mir gefiel, wie Du Fish and Chips und eine Cola bestellt hast und dabei die Spezialfischsoße abgelehnt hast und wie Du dann in letzter Minute »Ähem« gesagt und die Soße doch genommen hast. Das Mädchen an der Kasse lächelte Dich an, als Du »Ähem« sagtest, aber das ist Dir nicht aufgefallen, weil Du gerade Deinen Geldbeutel aus der Tasche gezogen hast. Mir gefiel, wie dieser Windsurfer auf dem kalten grauen Meer unterwegs war und wie er geduldig im Wasser wartete, als er reingefallen war, bis der Wind ihn mit dem Segel wieder hochzog. Mir gefiel, wie Du Deinen Fisch und die Pommes frites gegessen und dabei mit einem breiten Lächeln im Gesicht über das Wasser geschaut hast, als hättest Du es aufgegeben, Dein Lächeln zu verbergen. Mir gefiel, wie Du das Lächeln mit Deiner Serviette weggewischt, Dir die Hände abgeputzt und Zeichenblock und Stift hervorgeholt hast und wie Du dann zu zeichnen anfingst, ohne Dich einmal zu mir umzudrehen. Mir gefiel, dass Du so getan hast, als würdest Du den Surfer oder das Meer zeichnen, indem Du stirnrunzelnd in die Ferne starrtest. Besonders gut gefiel mir, wie Du dann ein wenig zur Seite gerückt bist, sodass ich sehen konnte, was Du gezeichnet hast, und dass es in Wirklichkeit ein Porträt von mir war, und mir gefiel Dein Lächeln, als Du meinen erstaunten Ausruf gehört hast. Und mir gefiel die Nachricht, die unten in der Ecke des Blatts stand: Da drüben am Horizont schwimmt ein Wal. Siehst Du die Fontäne? Ich glaube ja nicht, dass da wirklich ein Wal war. Aber vielleicht doch.
Sehr gut gefiel mir, wie Du das Bild beiseitegelegt hast, zu mir rübergerutscht kamst und mich geküsst hast. Mir gefiel, wie hastig Du das gemacht hast, als wäre es irgendwie unvermeidlich.
Im Moment habe ich keinen Freund. Hätte ich einen, hätte ich Dir nicht erlaubt, mich zu küssen, Seb. Ich glaube, ich möchte gar keinen Freund. Ich hatte schon drei Freunde hier an der Schule und es hat nie funktioniert. Ich hatte immer das Gefühl, als würde ich verschwinden; ich hatte immer das Gefühl, als sei es nur etwas Körperliches; als würden sie mich nie hören, wenn ich spreche. Letztes Jahr war ich drei Monate lang mit einem Typen namens Sergio zusammen. Ich fand ihn unglaublich sexy. Er hatte eine Brandnarbe in seinem Gesicht und überall, wo wir hingingen, starrten die Leute ihn deswegen an. Er sagte, das würde ihm gefallen, aber ich war immer total wütend auf diese Idioten. Sergio nannte mich »sein Mädchen mit den zornigen Augen« und je öfter er das sagte, desto zorniger wurde ich. Am Ende machte ich mit ihm Schluss, weil ich mich andauernd in dieses zornige Mädchen verwandelte – als wüsste ich, dass ihm gerade das an mir gefiel. Ich konnte gar nicht mehr lächeln und albern sein; dabei bin ich das auch gerne. Außerdem fand ich, dass dieses »Mädchen mit den zornigen Augen« so klang, als würde er von einem Pferd sprechen. Verstehst du, wenn ich einen Freund habe, fange ich immer an, mich wie jemand zu verhalten, der ich eigentlich nicht bin. Deswegen möchte ich Dir lieber schreiben, ja? Und mich vielleicht ab und zu mit Dir treffen, wenn unsere Briefe es erlauben. Nur so kann ich mir selbst treu bleiben.
Deine Lydia
Lydia, dass dieser Sergio unglaublich sexy ist, will ich eigentlich gar
nicht hören. Aber gut,
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