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Der Tag der zuckersueßen Rache

Der Tag der zuckersueßen Rache

Titel: Der Tag der zuckersueßen Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Moriarty
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Komm doch mal rüber, damit ich Dir die Sonne zeigen kann. Wenn Du mal bei mir vorbeikommen würdest, könnte ich Dir außerdem etwas von ausgesuchter Schönheit präsentieren: meine Videosammlung der besten Tore sämtlicher Weltmeisterschaften. Ich könnte Dir auch einen ganz bestimmten Tom-Waits-Song in meinem Zimmer vorspielen und Du könntest es Dir auf meinem Bett gemütlich machen und ich würde dir rechtzeitig Bescheid sagen, wenn eine bestimmte Liedzeile käme, die in Deine Seele kriechen und jeden Zentimeter Deiner Dunkelheit heilen würde.
    Und ich könnte Dir meinen kleinen Bruder Nathaniel vorstellen und Du könntest Dir seine süßen kleinen Zehen anschauen und Dich ein bisschen mit ihm unterhalten. »Dedede«, wird er nachdenklich sagen. »Ach wirklich?«, könntest Du ihm voller Interesse antworten. Wenn Du mir nur erlauben würdest, all diese Dinge zu tun, Lyd, würdest Du erkennen, dass die Welt ehrlich ist und kein bisschen voller verfaulter Kartoffeln.
    Liebe Grüße
Seb
     
     
    Lieber Seb,
ich kann mich gar nicht daran erinnern, Dir erzählt zu haben, dass ich in Turramurra wohne. Wir sind vor ein paar Jahren hierhergezogen und mein Vater wollte eigentlich, dass ich die Schule wechsle und an die Abbotsleigh High School oder die Loreto High gehe, aber ich wollte auf keinen Fall irgendwohin, wo Em und Cass nicht sind. Die Beispiele von Dingen, die Du schön findest, haben mir gut gefallen. Danke, Kumpel. Übrigens, ich muss mir eine neue Strafe für Paul Wilson ausdenken. Wenn ich ihm bloß zeigen könnte, was für ein mieses Schwein er ist, würde es mir bestimmt viel besser gehen. Aber unser Plan ist gescheitert. Willst Du wissen, was passiert ist? Wir haben uns gestern bei Em getroffen, um zusammen ein Referat für Geschichte zu schreiben, und Em benahm sich ganz merkwürdig. Mrs T. lag auf dem Sofa mit Gurkenscheiben auf den Augen – sie sagte, sie hätte diese Woche jeden Tag bis Mitternacht gearbeitet – und Em fing an, ihr von dieser Theorie von Cassies Mutter zu erzählen. Dass es kein Richtig oder Falsch gäbe, nur verschiedene Möglichkeiten, die Welt zu betrachten. Das Seltsame war, dass sie ihrer Mutter davon auf so feindselige Art und Weise erzählte, als wolle sie sie geradezu zum Widerspruch herausfordern. Mrs T. lag einfach nur da und hörte zu und sagte dann mit verständnisvoller Stimme: »Na ja, ich stimme ihr zwar grundsätzlich durchaus zu, aber vielleicht ist ihre Haltung ein bisschen zu postmodern für meinen Geschmack. Ich finde, dass es durchaus einige absolute Wahrheiten gibt.« »Was denn zum Beispiel?«, wollte Em wissen. »Na ja, ich denke, man sollte andere Menschen nicht verletzen und sich selbst auch nicht. Sicher wäre Patricia in diesem Punkt meiner Ansicht. Wenn man sich beispielsweise anschaut, wie bei manchen Völkern die Frauen behandelt werden, könnte man das ihrer Theorie nach einfach nur als kulturellen Unterschied interpretieren. Ich finde aber, wenn Frauen schlecht behandelt werden, ist das unrecht. Ganz einfach. Es ist unrecht.« »Oh, das ist doch lächerlich«, sagte Em. »Wie meinst du das?«, fragte ihre Mutter. »Na ja, es ist einfach unmöglich, absolute Wahrheiten zu vertreten. Man kann nicht einfach behaupten, man soll anderen Menschen nicht wehtun oder sich selbst, weil man sich manchmal eben wehtun muss, weil jemand anderem wehgetan wurde und man mit ihm befreundet ist, und sich selbst wehzutun ist vielleicht die einzige Möglichkeit, den Schmerz des Freundes zu lindern, und . . .« »Kannst du mir ein Beispiel für so einen Fall nennen?«, fragte Mrs T. Doch Em stampfte nur mit dem Fuß auf und rannte hoch in ihr Zimmer. Cass und ich folgten ihr und da zog sie gerade die Unterlagen für das Referat aus dem Regal, donnerte Bücher auf ihren Schreibtisch und trat mit dem Fuß ihre Kleider unters Bett. Dabei schimpfte sie die ganze Zeit vor sich hin und gab wütende »Tsss«-Laute von sich. Cass und ich schauten uns mit großen Augen an und befahlen ihr schließlich, uns zu sagen, was mit ihr los sei. Em fing zu weinen an und sagte, sie sei in Charlie verliebt. Sie sagte, sie habe versucht, es nicht zu beachten, weil sie wisse, dass Charlie Paul Wilson die Freundin ausspannen soll, aber sie würde ihn wirklich sehr, sehr mögen und könne einfach nicht damit aufhören. Wir hatten Cass gar nichts von unserem Racheplan erzählt. Als sie erriet, wovon Em sprach, schüttelte sie nur den Kopf und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, genau wie

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