Der Tag Des Falken
überlegte eben, wann er flüchten sollte, als weitere Informationen kamen.
»Entfernung sieben Kilometer«, meldete der Mann am Radarschirm.
»Weiter in fünfzig Meter Höhe, Geschwindigkeit etwas über dreihundert Knoten. Er fliegt genau zwischen Rollweg und Landebahn an...«
»Der klassische Tieffliegerangriff«, stellte Salazar fest. »So kann er beide Bahnen gleichzeitig bombardieren. Aber vorher holen wir ihn runter! Sie sind die SA-7 in Position?«
»Bisher keine Meldung, Coronet, Der Südposten hat die Maschine in Sicht! Er meldet einen... einen sowjetischen Jäger... eine Suchoi Su -
27...«
Eine sowjetische Maschine? »Was, zum Teufel...? An alle: Noch nicht schießen! Nur zielen, aber nicht schießen. Sollte der Jäger angreifen, ist sofort Feuer frei!«
Während Salazar hinauslief, überlegte er angestrengt. Ein sowjetischer Jäger, der Haiti und seinen Stützpunkt überflog? Wollte ihn einer seiner alten Kameraden besuchen? Obwohl er wußte, daß die Russen auf Kuba hochmoderne Su-27 stationiert hatten, wurden sie seines Wissens nur von sowjetischen Piloten geflogen. Aber was wollte ein Russe mit diesem Flugzeug hier? Wollte er desertieren? Nach Haiti?
Wollte er seine Maschine Salazar und den Cuchillos verkaufen? Eine Su-27 hätte ihr Arsenal erheblich verstärkt - aber würden sich die Russen auf Kuba diese Entführung gefallen lassen?
Vor dem Bunker wartete ein Jeep mit Fahrer und bewaffnetem Beifahrer, um ihn aufs Vorfeld zu bringen, aber Salazar winkte ab, weil die Su-27 eben die Platzgrenze überflog. Zu seiner und aller Überraschung führte der Jäger in sehr niedriger Höhe über der Landebahn ein fast unglaubliches Kunstflugprogramm vor. Die Su-27
mit ihrer Kombination der besten Eigenschaften der amerikanischen F-14 Tomcat und F-15 Eagle gehörte ohne Zweifel zu den leistungsfähigsten Abfangjägern der Welt, und ihr Pilot demonstrierte den verblüfften Exilkubanern, was in ihr steckte.
Salazar schüttelte den Kopf. »Unglaublich! So was hab' ich noch nie gesehen...«
Als der russische Jäger weit ausholend einkurvte, um den Platz erneut zu überfliegen, drang eine Stimme aus Salazars Handfunkgerät:
»Einsatzleitung, Rotte eins fertig, rollt zum Start.«
Salazar sah die Startbahn entlang. Zwei der vier MiG-21MF der Cuchülos rollten aus ihren halb unterirdischen Bunkern und beschleunig ten auf dem zur Startbahn führenden Rollweg. Zum Alarmplan bei Luftangriffen gehörte, daß die Abfangjäger so schnell wie möglich starten sollten.
Salazar drückte auf den Sprechknopf seines Handfunkgeräts. »Erst Startfreigabe abwarten! Ich wiederhole: Erst Startfreigabe abwarten!«
Im nächsten Augenblick tauchte Capitän Hermosa völlig außer Atem neben Salazars Jeep auf. »Die reinste Flugschau, was der Kerl da macht«, sagte Salazar. »Warum? Wer ist der Kerl?« Er wandte sich an seinen schweratmenden Adjutanten. »Wo haben Sie gesteckt, Hermosa?
Haben Sie sich verkrochen?«
»Nein, Coronel. Ich habe das Geschwader in Camaguey angerufen -
Ihre damalige Einheit...« Salazar funkelte ihn an, als Hermosa die Garnison Camaguey und das Geschwader erwähnte, das ihn wegen seiner Schmugglertätigkeit praktisch an die Regierung verkauft hatte.
Hermosa schluckte trocken und fuhr fort: »Das Geschwader will etwaige Aktivitäten dort stationierter Su-27 weder dementieren noch bestätigen.«
»Die Standardantwort«, stellte Salazar fest. »Sie hätten sich nicht abwimmeln lassen dürfen. Haben Sie gesagt, wer Sie sind, in wessen Auftrag Sie anrufen?«
»Ich glaube, daß man dort ebenso verwirrt ist wie wir, Coro-nel.«
Salazar winkte verächtlich ab und konzentrierte sich wieder auf den sowjetischen Jäger. Sein Pilot mußte die am Ende der Startbahn bereitstehenden MiG-21 und vermutlich auch einige der anderen Maschinen in ihren Bunkern und Splitterboxen gesehen haben; er hatte seine Kunstflugvorführung beendet und flog jetzt in sicherem Abstand parallel zur Landebahn. Salazar stellte sein Handfunkgerät auf die internationale Notfrequenz 121,5 MHz ein und drückte die Sprechtaste: »Unbekannte Su -choi über Verrettes«, sagte er auf Spanisch, »geben Sie Ihr Kennzeichen an. Kommen.«
»Ihr Rufzeichen?« fragte eine energische junge Stimme auf Russisch. »Wer hat uns gerufen?«
»Unbekannte Suchoi, sprechen Sie möglichst Spanisch.« Salazar rieb sich die Stirn, während er seine vor einem Jahrzehnt in der Sowjetunion erworbenen Sprachkenntnisse zusammenkramte. »Können Sie
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