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Der Tag des Königs

Der Tag des Königs

Titel: Der Tag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdellah Taïa
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das Gegenteil.
    Sie brachten es um.
    Das wurde im Viertel meiner Kindheit gemunkelt, in dem sich plötzlich eine riesige Welle der Angst ausbreitete. Ja, ich weiß es, sie brachten es um.
    Auch dieses Mädchen war schwarz. Es hieß Hlima.
    Ich werde Hlima nie vergessen.
    In meinem tiefsten Inneren wusste ich, dass sie sich sehr bald einem anderen Mädchen zuwenden würden. Ich wusste, dass ich es sein würde.
    Die unerträglichen Geräusche in meinem Kopf setzten am Tag von Hlimas Begräbnis ein. Die fremden Stimmen in den Ohren einen Monat später.
    Es gab keinen Zweifel mehr. Ich bestimmte nicht mehr über mich selbst. Wie von Hlima war auch von mir Besitz ergriffen worden. Nach und nach.
    Ich schrie. Keiner hörte mich. Ich schrie wieder und wie
der. Keiner kam, um mich zu retten. Nur Hlima verstand mich.
    Eines Morgens floh ich von zu Hause.
    Meine Mutter hatte mich verkauft. Sie hatte schon am Tag meiner Geburt ein Abkommen mit ihnen geschlossen. Sie sagte, dass wir reich werden würden, sehr reich. Sie war freundlich, sie erklärte mir alles, sie sagte, ich sei trottelig, einfältig. Ich musste dem Abkommen zustimmen, für einen Verzicht war es zu spät. Ich musste mich opfern.
    Ich hatte Angst. Ich hörte auf, meine Mutter zu lieben. Ich ging fort.
    Ich bin frei.
    Ich wechsle von einem Haus zum nächsten. Als Hausmädchen. Sklavin. Nutte.
    Die anderen glauben, sie kaufen mich, indem sie mit mir machen, was sie wollen. Befehle. Beleidigungen. Böse Blicke. Spucke. Hiebe. Sperma.
    Ich habe es beschlossen: Ich fliehe, um frei zu sein. Frei zu bleiben. Trotz der anderen. Trotz der Besitzergreifung. 
    Ich denke an Hlima, und ich kämpfe. Ich führe ein ausschweifendes Leben, um meine Reinheit zu verlieren. Ich hoffe, dass sie mich derart besudelt und schmutzig nicht mehr wollen. Dass sie verzichten. Dass sie mich schließlich vergessen. Dass sie sich eine andere vornehmen.
    Ich warte. Ich schlage keine andere Richtung ein. Ich tue nichts anderes als fliehen. Seit meiner frühesten Kindheit bin ich unterwegs. Irre ich umher.
    Ich habe mich an dieses Leben ohne festes Zuhause, ohne liebendes Herz, ohne Bruder, ohne Schwester gewöhnt.  
    Ich bin meine eigene Mutter. Mein eigener Bruder. Meine eigene Schwester. Ich bin die gesamte, im Streit ent
zweite, rings um eine leere Kuskusschale wiedervereinte Familie.
    Ich bin Hadda.
    Zuvor war ich Kamela.
    Ich verließ meine Familie. Ich beschloss, eine andere zu sein, ich selbst und eine andere, mit einem neuen Vornamen. Endlich wirklich.
    Hadda.
    Das Haus meiner Mutter war nicht weit entfernt, es verfolgte mich, ich sah es nachts, in meinem Herzen. Ich bin hart geworden. Ich habe diese Bilder aus meinen Augen verbannt. Weiterhin war ich auf der Flucht, suchte das Weite, verbannte immer mehr meine Mutter aus mir. Und nannte mich ab sofort anders. Hadda.
    Ich hoffte, sie würden mich vergessen. Sie würden mich erlösen. Sie würden mich verstehen. Sie würden sich schämen, in mir zu wohnen. Sie würden sich die Nächste vornehmen.
    Weit gefehlt!
    Sie sind nach wie vor hinter mir her.
    Ich werde wieder aufbrechen müssen.
    Â 
    Nachts saß ich für Sidi Modell.
    Zwei- oder dreimal wöchentlich gaben mir Khalid, Sidis Sohn, und sein Freund Omar Unterricht. Sie brachten mir heimlich bei, Arabisch zu lesen und zu schreiben. Ohne es zu ahnen, bereiteten sie mich darauf vor, meine Haut zu retten, eines Tages wie sie zu leben, weit weg zu gehen, den Wald hinter sich zu lassen, den Fluss zu überqueren.
    Ein Jahr erlebte ich jede Nacht die Wiederentdeckung der Sinneslust, war ich auf dem Weg der Liebe und ihrer Illusionen. Ich spaltete mich. Ich ließ Sidi einen Teil meiner
leichtgläubigen Seele stehlen. Ich gab mich seiner Kunst hin, ohne davon etwas zu verstehen. Sidi war langsam, pingelig, zwanghaft. Er geriet in kaum fassbare Zustände. Er brüllte vor Wut. Er wollte unbedingt dieses Porträt von mir zustande bringen. Und es fiel ihm sehr schwer. Es gelang ihm nicht, die in Paris erlernten Techniken wieder anzuwenden. War er als Maler begabt? Ich wusste es nicht, und ehrlich gesagt war es mir ziemlich schnuppe. War er aufrichtig in seinem dringenden Verlangen, mich zu malen? Ja, er war es. Zumindest am Anfang. Die ersten sechs Monate. Danach war es etwas anderes. Wir kamen direkt zur Sache, ohne erst die Kunst zu bemühen.
    Wir bumsten. Er bumste mich. Von sich lieben

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