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Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Titel: Der Tag ist hell, ich schreibe dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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und schöne Spionin. Was ich damals allerdings nicht mitbekommen hatte, war, dass sie für ihr Leben mit dem Leben hatte bezahlen müssen. Es hätte allerdings nichts an meiner Begeisterung geändert.
    Damals spielten wir oft » Kalter Krieg«. Wir redeten ein frei erfundenes Amerikanisch und Russisch, und wir spielten Spione, so wie wir Cowboys und Indianer spielten. Wir teilten uns in zwei Gruppen, belauschten und belagerten uns gegenseitig, heckten Überfälle, Diebstähle wichtiger Dokumente und andere Gemeinheiten aus, die die andere Gruppe aufdecken und verhindern sollte. Wir benutzten unsichtbare Walkie-Talkies, und die Bäume und Büsche, hinter denen wir uns versteckten, waren in Wirklichkeit U-Boote, Flugzeuge und Bunker.
    Als ich vierundzwanzig war, sagte ein Professor zu mir: » Leute wie Sie werden entweder Terrorist oder Holzfäller in Kanada.« Zu diesem Zeitpunkt kannte ich Julius fünf Jahre. Als ich ihm zum ersten Mal begegnete und er noch ein Fremder für mich war, war ich neunzehn. Ich trug mein helles Haar lockig und die Röcke kurz, ich stand kurz vorm Abitur und konnte es kaum erwarten, mein Elternhaus und die Stadt zu verlassen. Bevor du gehst, hatte mein Vater gesagt, lern wenigstens Auto zu fahren. Da hast du was fürs Leben. Ich fuhr nicht gern Auto. Ich war lieber zu Fuß und in Bussen und Zügen unterwegs, bis heute. Ich hasste meinen Fahrlehrer, der mich immer etwas merkwürdig angrinste und manchmal seinen Arm um meine Schultern legte. Einmal stieg ich deswegen mitten auf einer Kreuzung aus. Ein Donnerwetter folgte. Doch am Ende bestand ich die Prüfung dank eines aberwitzigen Wintereinbruchs. Meine angeborene Fähigkeit, mit Katastrophen umzugehen, kam mir zu Hilfe. Ausnahmesituationen entlasten mich; ich glaube, das kommt von meiner Flüchtlingsfamilie. Während alle anderen zitterten, zitterten bei mir nur drei Sekunden lang die Knie, beim ersten Gasgeben. Dann holte ich tief Luft, stieß innerlich einen Fluch aus, drückte den Fuß aufs Pedal und – fuhr seelenruhig durch die dick mit Schnee bedeckten Straßen, an deren Seiten Autos schräg standen oder ihre Nasen an Ampelmaste drückten. Mein Fahrlehrer knurrte etwas Unverständliches, als er mir den Führerschein wohl oder übel in die Hand drücken musste.
    Mein Vater wollte, dass ich übte zu fahren. Das Fahren war eigentlich kein Problem. Meinen ersten Unfall verursachte ich, ohne dabei zu sein. Mein Vater hielt mir eines Tages den Wisch der Polizei unter die Nase und sah mich fragend an. Ich hatte einen Filmriss. » Ich kann mich nicht erinnern, Papa«, flüsterte ich. » Guck dir mal die Adresse an«, sagte Papa, »vielleicht klingelt es dann bei dir.« Ich las den Straßennamen, wurde rot, sagte: » Oh.« Ich hatte wohl vor dem Haus meines Freundes vergessen, die Handbremse zu ziehen. Das Auto hatte sich verselbstständigt und war rückwärts in ein anderes gerollt. Ich hatte es nicht merken können, weil der andere es wieder auf den vorherigen Platz geschoben hatte. Mir fiel allerdings ein, dass ich mich leicht gewundert hatte, warum ein Stein hinter das Vorderrad geklemmt war.
    Nur wenige Tage nach dem Eintreffen des grünen Bescheids blieb ich kurz nach Verlassen des Schulparkplatzes mit stotternder Karre stehen. Ich versuchte, das Auto mit Hilfe einiger Mitschüler an die Seite zu schieben, und rief von der Schultelefonzelle aus zu Hause an, ziemlich kleinlaut. » Papa, das Auto ist kaputt.« Er brummte, kam kurz darauf, stieg ins Auto, versuchte, es anzulassen, und sagte: » Das Benzin ist alle.«
    Trotz dieser kleinen Vorkommnisse gewann ich beim Fahren bald an Sicherheit. Übermütig und mit Schmackes dotzte ich Papas Polo zu Hause gegen die Garagenwand.
    Meine Fahrkünste sind wie mein Leben. Meine Freundin Antje-Doreen sagt immer: Du musst sieben Schutzengel haben.
    » Entschuldigung«, sagte ich zu Jonathan Kepler, der belustigt Notizen machte, » ich komme wohl ein wenig vom Weg ab.«
    » Macht nichts, macht nichts«, sagte er, » ich habe den ganzen Nachmittag Zeit, Sie müssen sich sicher erst einmal in diese Zeit zurückversetzen.«
    » Ich glaube, das Thema Auto drängt sich mir auf, weil –«
    » Ich kann mir schon denken, warum.«
    Ich wollte eigentlich nicht an die zerstörte Limousine denken.
    » Er hat so oft in seinem Wagen gesessen«, sagte ich, » mit seinem Chauffeur, wenn wir miteinander telefonierten.«
    Jonathan Kepler nickte. » Lassen Sie es einfach laufen, kein Problem.«
    Ich hatte dein

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