Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag mit Tiger - Roman

Der Tag mit Tiger - Roman

Titel: Der Tag mit Tiger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
vorsichtig bis in die Küche gekommen und hatte eine gastlich angebotene Portion Milch akzeptiert. Mit ihrem Besitzer hätte Anne gerne mal über sie geplaudert, aber Christian Braun schien ein wenig ungesellig zu sein.
    Inzwischen war Anne am Ortseingang angekommen und bog gleich darauf in ihre Straße ein. Sie parkte vor dem Nachbarhaus, holte den Einkaufskorb aus dem Kofferraum und wollte eben über die Straße gehen, als sie Tiger auf dem Bürgersteig liegen sah.
    Sie stellte den Korb ab, ging die wenigen Schritte auf ihn zu und sprach ihn an.
    »Hallo, Tiger, mein Alter! Was liegst du denn hier so faul in der Sonne?«
    Sie bückte sich und wollte ihn kraulen. Dabei merkte sie, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Tigers Augen waren halb geschlossen, und aus seinem Mäulchen tropfte Blut.
    »O Gott, Tiger!«, murmelte sie und kniete sich nieder.
    Der Katzenkörper fühlte sich noch ganz warm an, und als sie ihn vorsichtig anfasste, vermeinte sie ein ganz leises Schnurren zu hören. Vorsichtig streichelte sie ihm über den Kopf und flüsterte entsetzt: »Warte, mein Kleiner, ich werde versuchen, dir zu helfen.«
    Im Sturmschritt lief Anne auf das Haus zu, raste ans Telefon und wählte die Nummer des Tierarztes. Zum Glück erreichte sie ihn sofort, und er versprach ihr, sich um den Patienten zu kümmern, sowie sie vorbeikäme. In fliegender Hast räumte sie den Katzenkorb aus dem Keller – Tiger hatte ihnselten benutzt und hasste ihn innig – und lief auf die Straße zurück. Als sie zu dem bewusstlosen Tier kam, kniete ein Mann neben ihm, den sie mit Erstaunen als ihren Nachbarn Christian erkannte.
    »Er ist angefahren worden, nicht wahr?«, erkundigte er sich, während er zu ihr aufsah.
    »Es sieht so aus.« Zornig entfuhr ihr: »Wie ich diese Idioten hasse!«
    Christian murmelte beruhigend: »Kommen Sie, wir legen ihn ganz vorsichtig in den Korb. Sie fahren sicher zum Tierarzt mit ihm, nicht wahr?«
    Anne nickte, und behutsam half er ihr, den schlaffen kleinen Körper in den Korb zu heben und zum Auto zu tragen.
    »Dr. Wendels Praxis ist zum Glück nicht weit.«
    Bevor sie ins Auto stieg, blickte Anne ihren Helfer noch einmal unglücklich an und meinte: »Ich bin ganz zitterig. Das arme kleine Wesen.«
    »Fahren Sie vorsichtig. Ich hoffe, Dr. Wendel kann ihm noch helfen. Er ist ein guter Tierarzt. Meine Nina hat er auch schon verarztet.«
    Christian schloss die Autotür, und Anne machte sich mit einem klammen Gefühl im Bauch auf den Weg zur Praxis. Um heftige Bewegungen in dem Katzenkorb zu vermeiden, zwang sie sich, trotz ihrer Besorgnis langsam und vorsichtig zu fahren.
    Dr. Wendel machte ihr nach der Untersuchung wenig Hoffnung.
    »Frau Breitner, so leid es mir tut, wir werden Ihren Tiger wohl einschläfern müssen. Äußerlich hat er außer einer Risswunde am Kopf keine Verletzungen, aber die Schädelknochenhaben den Schlag durch das Auto nicht ausgehalten. Er hat nur noch wenige Stunden zu leben.«
    Anne stand mit trockenem Mund im Behandlungszimmer. Nach drei erfolglosen Versuchen zu sprechen sagte sie endlich mit heiserer Stimme: »Ich wusste gar nicht, wie sehr ich an dem Kater hänge, Herr Doktor. Er ist mir doch erst vor drei Jahren zugelaufen.«
    »Wer von einer Katze adoptiert wird, der kann sich selten so einfach von ihr trennen.«
    »Wenn er wirklich sterben muss, kann ich ihn dann nicht mit nach Hause nehmen, damit er in seinem Körbchen einschläft?«
    »Wenn Sie das wollen, kann ich Sie natürlich nicht daran hindern. Aber es ist möglicherweise nicht sehr schön für Sie.«
    »Trotzdem – ich will ihn mitnehmen«, sagte Anne mit plötzlicher Bestimmtheit.
    »Nun gut, aber ich gebe dem Kater ein schmerzstillendes Mittel, damit er nicht leidet.«
    So fuhr Anne mit ihrem Tiger an dem warmen Sommerabend zurück nach Hause.

Wie Tiger und Anne zusammenfanden
    Als sie in der Wohnung angekommen waren, hob Anne Tiger vorsichtig aus dem Transportkorb und legte ihn auf seine Decke auf dem Sofa, auf der er so viele Abende gemeinsam mit ihr verbracht hatte. Seine äußerliche Kopfwunde war gereinigt und kaum zu erkennen, und so machte er trotz seiner Bewusstlosigkeit einen friedlichen Eindruck.
    Es war über die Ereignisse inzwischen spät geworden. Der Appetit an dem geplanten Abendessen war Anne durch den Unfall vergangen. Sie legte Huhn und Hackfleisch in den Kühlschrank, ließ aber den Einkaufskorb unausgeräumt auf dem Küchenschrank stehen. Dann goss sie sich ein Glas Milch ein und setzte

Weitere Kostenlose Bücher