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Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Vogt- stli
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ich mir, dass sie sich wieder über Sachen in der Zeitung aufregt.
    »Mum, wäre es möglich, diesen Krach für eine Weile abzustellen?«, sage ich, als ich die Küche betrete.
    »Haha. Gefällt dir das nicht? Komm, sing mit!«
    »Nicht in hundert Jahren. Hör auf damit, sonst ziehe ich aus.«
    »Ein verlockendes Angebot, junger Mann. Aber ich glaube, ich behalte dich lieber noch eine Weile.«
    Und dann umarmt sie mich doch tatsächlich. Ist das die Möglichkeit? Hat sie vergessen, dass ich ein mürrischer Teenager bin? Plötzlich hab ich Lust, ihr was Nettes zu sagen.
    »Du, Mum.«
    »Ja?«
    »Ich finde es schön, dass du so gut drauf bist.«
    Sie lächelt mich an.
    »Ich bin froh, dass …« Ich hätte beinahe gesagt, ›ich bin froh, dass du mich nicht abgetrieben hast‹, aber das klingt irgendwie blöd. »… dass ich bei dir wohne.«
    Sie sieht mich überrascht an. Ich bin selbst überrascht.
    »Das bin ich auch!«
    Sie beugt sich zu mir und will mich schon wieder umarmen, aber ich ducke mich weg. Das wäre vielleicht ein passender Moment gewesen, sie zu fragen, wie sie Dad kennengelernt hat. Aber das ist ein bisschen viel Gefühl auf einmal. Mum hat immer so nah am Wasser gebaut. Es ist wohl besser, ich spreche mit Dad.

»Hey, Dad!«
    Ich bin erstaunt, dass er tatsächlich ans Telefon gegangen ist. Normalerweise muss ich eine Nachricht auf dem AB hinterlassen und er ruft dann zurück. Ich setze mich aufs Bett.
    »Hallo, Hans Petter.«
    »Wie geht’s?«
    »Gut. Was gibt’s?«
    Er wirkt ungeduldig. Kann ich verstehen. Er mag kein Geschwätz.
    »Ich wollte nur fragen, ob wir uns bald mal wieder treffen können.«
    Er seufzt. Ich kann hören, dass er schwer atmet. Sicher ist er in Eile.
    »Wenn du Zeit hast, meine ich.«
    »Ja. Im Moment sieht es schlecht aus, Hans Petter.«
    Er zögert. Ich komme mir blöd vor.
    »Muss ja nicht dieses Wochenende sein. Ich kann gut noch ein bisschen warten.«
    »Ich sehe mal kurz in meinem Kalender nach.«
    Er seufzt wieder. Er klingt erschöpft.
    »Hast du was Spannendes in Arbeit? Einen neuen Artikel?«
    Er antwortet nicht. Konzentriert sich wohl auf seinen Terminkalender. Eigentlich redet er gern über alles, was er liest und schreibt. Er findet nicht, dass ich zu jung bin, um es zu verstehen. Und ich verstehe ja auch fast alles.
    »Wir wär’s mit Sonntag in einer Woche? In der Kneipe? Selbe Zeit wie letztes Mal?«
    »Klar!«
    »Gut, Hans Petter. Ich muss jetzt auflegen.«
    »Okay. Bis dann!«
    Anderthalb Wochen. Ganz schön lange bis dahin. Aber er hat sich wahnsinnig müde angehört. Er arbeitet bestimmt unheimlich viel. Er hat keinen festen Job, er ist Freiberufler. Da muss man arbeiten, wenn man einen Auftrag kriegt. Und wenn man nicht arbeiten muss, hat man viel Zeit zum Nachdenken. Das ist gut. Man braucht Zeit zum Nachdenken. Ich habe viel davon.
    Mum und ich sind wieder allein. Noch ein Filmabend und Mum hat Chips mit Meersalz gekauft. Ihre Lieblingschips. Die sind ziemlich lecker. Cola für mich, Rotwein für Mum. Mit ihr ist es gemütlich. Da draußen sind bloß jede Menge Leute unterwegs, die darum wetteifern, cool zu sein. Dazuzugehören. Das ist Zeitverschwendung. Mit Mum zu Hause zu sitzen, ist besser.
    Zurück in die Zukunft. Den habe ich ausgesucht. Ich glaube, der ist ganz lustig, und das Thema Zeitreise ist verständlicherweise etwas, das mich gerade beschäftigt.
    Mum lacht, als sie sieht, welchen Film ich ausgewählt habe. »Ach, der! Ich kann mich gut erinnern, wie der damals rausgekommen ist.«
    »Hast du ihn gesehen?«
    »Ja, ich habe ihn geliebt! Ich wollte auch zurück in die 50er reisen. Ich habe mir sogar einen 50er-Jahre-Rock gekauft, mit Unmengen Stoff und einem Tüllpetticoat.«
    »Wie alt warst du da?«
    »Hm. Zwölf oder dreizehn vielleicht.«
    Ich versuche, mir Mum als Teenager im 50er-Jahre-Rock vorzustellen, aber ich weiß nicht genau, was ein Tüllpetticoat ist.
    Wir schauen den Film. Ich finde ihn ziemlich witzig. Er ist fast 30 Jahre alt und handelt davon, 30 Jahre in der Zeit zurückzureisen. Mum findet ihn wahnsinnig toll. Sie hat das Gefühl, eine Zeitreise zu machen, sagt sie. Es stört mich ein bisschen, dass sie dabei so ironisch lacht. So auf die Art, ›das verstehst du nicht, weil du die 80er nicht erlebt hast‹. Aber es ist auch schön, dass sie sich amüsiert.
    Im Film reist Marty in der Zeit zurück und verhindert beinahe, dass er überhaupt geboren wird. Seine Mutter verliebt sich in ihn anstatt in seinen Vater. Marty hat

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