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Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Vogt- stli
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wie möglich. Ich gehe weiter. Aber langsamer. Andreas holt mich mühelos ein. Jetzt ist er neben mir und geht im selben Tempo.
    »Sehr gut. Dass dein Gehör in Ordnung ist.«
    Wir schlendern nebeneinander weiter, im Schneckentempo. Wie ein altes Ehepaar, das spazieren geht.
    »Hast wohl gedacht, du könntest so tun, als ob ich nicht da wäre?«
    Er stellt die Frage in munterem Ton.
    »Quatsch«, murmle ich.
    »Das tut nämlich weh«, fährt Andreas fort, »auf die Art ignoriert zu werden.«
    Er verarscht mich, ganz klar, aber ich habe keine Ahnung, worauf er hinauswill.
    »Wir kennen uns ja schon lange«, sagt er.
    Das stimmt. Andreas ist bereits mein halbes Leben lang da. Sehr da.
    »Wir gehören sozusagen zusammen, du und ich.«
    Er legt seinen Arm um mich! Ich erstarre zu Eis. Bleibe stehen. Mit seinem Arm, der wie eine Schlange auf meinen Schultern liegt, drückt er zu. Was ist das für eine perverse Nummer?
    Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Ich sehe ihn nur an. Wir stehen ganz still, Seite an Seite, und sehen uns in die Augen. Ich mit Andreas’ langem, muskulösem Arm auf meinen Schultern. Was, wenn uns jetzt jemand aus der Schule sieht? Man könnte denken, wir sind ein schwules Paar, aber das ist Andreas bestimmt egal. Er genießt die Verwirrung in meinen Augen, das sehe ich ihm an. Mir kommt es vor, als ob wir eine Ewigkeit so dastehen. Dann drückt er wieder zu und langsam fängt es an wehzutun.
    »Weißt du, was so verdammt ärgerlich an dir ist?«, fragt er. Immer noch freundlich. Ich schüttle den Kopf. Ich werde ganz sicher nicht anfangen zu raten.
    »Du machst dich so klein. So schwach. Du starrst einfach zu Boden und ziehst den Kopf ein.«
    Ich kämpfe gegen den Drang an, gerade jetzt auf den Boden zu starren.
    »Du denkst, du bist besser als ich. Du denkst, du bist besser als alle anderen.«
    Es gibt nichts, was ich sagen könnte, um ihn davon zu überzeugen, dass das nicht stimmt. Außerdem hat er ja recht. Ich weiß, dass ich besser bin als er. Er ist eine Laus.
    »Wenn du an meiner Stelle wärst, würdest du dasselbe tun wie ich.«
    Das ist natürlich eine Lüge, aber ich habe nicht vor, mit ihm zu streiten. Sein Muskelarm drückt ein letztes Mal zu.
    »Wenn du dich so klein machst, ist es leicht, auf dir herumzutrampeln.«
    Dann lässt er los. Und geht weg.
    Ich stehe da und blicke ihm hinterher. Erleichtert, dass er mich nicht verprügelt hat.
    Und was war das jetzt? Eine Aufwärmübung? Seine neueste Zermürbungsstrategie? Es macht ihm Spaß, das ist alles. Zu sehen, dass ich Angst habe, gibt ihm wohl einen Kick. Und dann sagt er, wir gehören zusammen! Ungefähr so, wie Katz und Maus zusammengehören, vermutlich. Und dass ich an seiner Stelle dasselbe tun würde wie er. Als könnte ich so bösartig sein!
    Ich bin besser als er. Irgendwann wird er das schon sehen.
    Fera:
    Ich habe deinen Brief erhalten. Vielen Dank.
    Hans Petter:
    Konntest du das Foto öffnen?
    Fera:
    Ja! Es ist ein bisschen unscharf, aber es ist fantastisch, dein Haus zu sehen. Mit Riesenpfeil und allem.
    Hans Petter:
    Kannst du mir auch ein Foto schicken?
    Fera:
    Ja! Ich will es versuchen. Aber dazu muss ich erst eins von den alten Programmen zum Laufen bringen.
    Fera:
    Du magst Andreas nicht besonders, nehme ich an.
    Hans Petter:
    Der schon wieder. Du beschäftigst dich ganz schön viel mit ihm.
    Fera:
    Du hast ja in deiner Mail auch eine Menge über ihn geschrieben.
    Hans Petter:
    Kann sein.
    Fera:
    Hört sich an, als wäre er ein schrecklicher Mensch.
    Hans Petter:
    Das ist die Untertreibung des Jahres.
    Fera:
    Ich kann verstehen, dass du misstrauisch geworden bist, als du dachtest, ich würde ihn kennen. Solche Typen gibt es bei uns nicht. Ich begreife nicht, wieso er das tut.
    Hans Petter:
    Er ist eben einfach böse.
    Fera:
    Meinst du? Dass er richtig böse ist?
    Hans Petter:
    Ja. Eigentlich war er schon immer so. Und ich kenne ihn, seit ich fünf bin. Keiner zwingt ihn, sich so aufzuführen. Er ist böse.
    Fera:
    Du glaubst, dass er so geboren wurde? Böse, meine ich?
    Hans Petter:
    Ja.
    Fera:
    Dann kann er also nichts dafür, dass er so ist?
    Hans Petter:
    Was? Ist er deswegen unschuldig, weil er böse geboren wurde?
Es macht ihm doch offensichtlich Spaß, andere zu quälen.
    Fera:
    Wenn es in seinen Genen liegt, hat er ja keine andere Wahl, dann ist er doch sozusagen darauf programmiert, sich so zu benehmen.
    Hans Petter:
    Aber er weiß ja, was er tut. Er weiß, dass es falsch ist. Er muss niemanden

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