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Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Vogt- stli
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Sonntagsstimmung. Eine Art Countrymusik übertönt die Gespräche.
    Dad klopft mir auf die Schulter. Ich bemerke, dass er dunkle Schatten unter den Augen hat. Er sieht ein bisschen grau im Gesicht aus, hat wahrscheinlich tagelang drinnen gesessen und gearbeitet. Er bestellt eine Cola für mich und wir setzen uns an den nächstbesten Tisch.
    Wir unterhalten uns problemlos. Nicht so wie am Telefon. Anscheinend ist er mit der Sache fertig, die ihn so gestresst hat. Ich frage mich, ob er von Gunnar weiß. Dass meine Mutter beschlossen hat, mit keinem Geringeren als dem Vertrauenslehrer ihres Sohns eine Beziehung anzufangen. Aber darüber will ich eigentlich nicht reden. Ich will ja was ganz anderes wissen.
    »Dad, wie hast du Mum eigentlich kennengelernt?«
    Dad schaut überrascht. Er nimmt einen großen Schluck Bier und lächelt. Vielleicht denkt er an die Zeit, als sie jung und verliebt waren.
    »Ah, die Art von Gespräch. Hätte mir denken können, dass das irgendwann mal kommt. Hast du nicht mit deiner Mutter darüber gesprochen?«
    »Nein.«
    »Sicher besser so. Kann sein, dass das immer noch ein heikles Thema für sie ist.«
    »Warst du mies zu ihr?«
    »Auf gewisse Weise war ich das. Aber sie war auch ganz schön naiv.«
    »Mum ist ja nicht gerade die Hellste.«
    »Tja, da sagst du was, Junge.«
    Er macht eine kleine Pause. Die Musik schweigt für einige Sekunden, dann kommt das nächste Lied. Immer noch Country. Ich sehe zu dem alten Opa, der allein an dem Tisch hinter Dad sitzt. Er merkt es und prostet mir mit seinem Bierglas zu. Ich ignoriere ihn. Nicht, dass er sich noch zu uns an den Tisch setzt.
    »Na ja, wir haben uns eines Abends in einer schummrigen Kneipe getroffen, es war schon spät und wir hatten beide ganz schön getankt. Ich wünschte, ich könnte dir eine romantischere Geschichte erzählen, wirklich. Aber du weißt ja, ich bin ein Freund der Wahrheit, wie grausam sie auch ist. Deine Mutter saß neben mir, wir haben uns unterhalten und dann sind wir zusammen in die Kiste gestiegen. Ich war damals gerade in einer Phase, in der ich jede Gelegenheit genutzt habe, die sich mir bot. Drei Monate später kam der Anruf mit der Schocknachricht.«
    »Ihr habt danach nicht mehr miteinander geredet?«
    »Erst wieder, als deine leichtsinnige Mutter meine Nummer gewählt hat. Die ich ihr übrigens bestimmt nicht gegeben habe. Sie muss ganz schön gewirbelt haben, um die rauszukriegen.« Dad schüttelt kurz den Kopf und leert sein Glas. Stellt es hin und gibt dem Barkeeper ein Zeichen.
    »Aber du warst geschockt?«
    »Ja, komischerweise. So wie ich damals rumgemacht hab, ist es eigentlich merkwürdig, dass nicht mehr solche Anrufe gekommen sind.«
    »Jetzt gib mal nicht so an.«
    »Das ist mir eher unangenehm. Ich glaube, ich habe damals nicht mal Kondome benutzt. Jedenfalls, was mich am meisten schockiert hat, war, dass sie so spät angerufen hat.«
    »So spät abends?«
    »Haha, nein. Nach so langer Zeit. Es war ja zu spät, um was zu unternehmen. Sie hat das ganz allein entschieden.«
    Der Barkeeper stellt ein Bier vor Dad hin. Er hat einen schmalen Schnurrbart, so einen, wie Dad ihn nicht ausstehen kann, aber er lässt keinen Kommentar darüber ab, sondern sagt nur, dass er das Bier anschreiben lassen will.
    »Was war zu spät?«, frage ich.
    »Sie war schon über die Frist für eine Abtreibung.
    Ganz schön dreist von ihr, was? Sie hat mich nicht an der Entscheidung beteiligt. Sie war zweiundzwanzig und hatte beschlossen, das Kind zu behalten. Und dann ruft sie mich an und erzählt mir, ich werde Vater und sie erwarte, dass ich zahle. Sie kann, wenn sie will, deine Mutter.«
    »Also wolltest du, dass sie abtreibt?«
    »Ich hätte zumindest erwartet, dass sie mich an der Entscheidung beteiligt. Ehrlich gesagt war ich nicht scharf darauf, mich im zarten Alter von dreiundzwanzig schon zu vermehren. Das bisschen, was ich verdiente, wollte ich lieber für Bier als für Windeln ausgeben. Außerdem fand ich – und das finde ich heute noch –, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, zur Übervölkerung der Welt beizutragen.«
    Er klopft mit dem Glas auf die Tischplatte, um seine Ansicht zu unterstreichen. Als würden wir eine angeregte Diskussion über die Probleme der Menschheit führen und nicht über meine Zeugung reden. Der Alte am Nachbartisch scheint uns aufmerksam zuzuhören, aber das ist mir im Moment echt egal.
    »Also habe ich es nur Mum zu verdanken, dass ich auf der Welt bin?«
    »Der kindischen Lust

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