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Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Vogt- stli
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deiner Mutter, Mama, Papa und Kind zu spielen, mein schlaues Spermium.«
    »Aber jetzt bist du doch froh, dass sie nicht abgetrieben hat?«
    »Weißt du, im Grunde habe ich ihr das nie richtig verziehen. Ich meine, wenn sie das schon allein für sich entscheidet, dann soll sie auch allein dafür geradestehen.«
    »Aber du hast doch mit deiner Samenzelle dazu beigetragen. Du hast kein Kondom benutzt.«
    »Ja, aber in diesem Land ist es schließlich erlaubt abzutreiben.«
    »Also dir wäre es am liebsten, wenn es mich nicht gäbe?«
    »Ah. Jetzt begreife ich, worauf du hinauswillst. Nein, natürlich nicht.«
    Ich glaube dir nicht. Du triffst dich nur mit mir, weil du musst. Das kannst du dir sparen. Am besten, ich gehe jetzt.
    Das würde ich ihm gern an den Kopf werfen. Aber ich tue es nicht.
    Red keinen Unsinn, ich bin superhappy. Du bist doch mein einziger Sohn. Was wäre mein Leben denn ohne dich?
    Das möchte ich von ihm hören. Doch er schweigt. Okay, er hat eingeräumt, dass er mich haben wollte. Trotzdem ist da jetzt etwas zwischen uns.
    »Mum ist mit Gunnar zusammen«, platze ich heraus.
    Dad sieht mich an.
    »Also, mit meinem Lehrer. Ich glaube, es ist was Ernstes. Mum ist jedenfalls völlig gaga.«
    »Aha. Na, das wurde ja auch mal Zeit.«
    Er starrt wieder auf sein Glas. Wirkt ein bisschen verwirrt. Vielleicht versteht er nicht ganz, wieso ich plötzlich davon anfange.
    »Ja, dir macht das wohl nichts aus. Du hast ja Monica, heißt sie nicht so? Und ihr wart wohl sowieso nie ineinander verliebt, Mum und du.«
    Eigentlich habe ich das in meinem tiefsten Innern immer gewusst. Dass sie nie ein richtiges Liebespaar waren. Aber jetzt stört es mich. So als wäre ich nicht auf die richtige Art entstanden. Als wäre von Anfang an was verkehrt.
    Dad ist auch irgendwie komisch.
    »Ja. Da hast du wohl recht«, murmelt er und hat es auf einmal eilig, sein Bier auszutrinken.
    Die Countrymusik nervt mich langsam. Ich bin so sauer. Das geht gar nicht wieder weg, wird nur immer stärker. Ein belangloses neues Thema anzufangen, macht jetzt auch irgendwie keinen Sinn. Dad will gehen. Er will kein Vater sein, nicht wirklich, nicht wenn es Gespräche bedeutet, die er nicht steuern kann. Ich hab keinen Bock, eine Szene zu machen. Deshalb murmle ich nur was von Hausaufgaben, die ich noch erledigen muss, und verziehe mich.
    Mag sein, dass ich intelligent bin, aber gleichzeitig bin ich so unglaublich blöd. All die Jahre habe ich mich auf die Treffen mit Dad gefreut. All die Jahre habe ich geglaubt, er freut sich auch. Natürlich tut er das nicht. Für ihn ist das Pflicht. Er zahlt pflichtgemäß Unterhalt, weil Mum ihn dazu zwingt. Und er trifft sich pflichtgemäß mit mir, weil Mum es verlangt. Natürlich ist das der Grund, warum ich nie einen Wochenend-Papa hatte. Er wollte mich nicht haben. Das ist so eindeutig, so offensichtlich, so glasklar. Das Ganze war so durchsichtig, dass ich nicht in der Lage war, es zu erkennen. Ich werde nie wieder mit ihm reden.

Lieber Hans Petter,
    ich habe versucht, mich heute einzuloggen, aber es war nicht möglich. Es gibt im Moment schwere Störungen in den Energiefeldern. Das liegt wahrscheinlich an ungewöhnlich heftigen Sonnenwinden. Aber ich wollte so gern mit dir reden, deshalb schreibe ich jetzt diesen Brief.
Heute habe ich mich mit meiner Studiengruppe gestritten. Wir arbeiten an einer ziemlich langweiligen Aufgabe über Sprachstruktur und Technologie. Ich bin eigentlich auf einem anderen Niveau als der Rest der Gruppe, also habe ich mich hingesetzt und darüber nachgedacht, was du gesagt hast, von wegen ich hätte Geschichte studieren sollen. Irgendwann habe ich die anderen gefragt, ob sie je an etwas gedacht haben, das sie lieber lernen oder womit sie sich lieber beschäftigen würden. Ob sie lieber selbst entscheiden würden, anstatt den Rat bestimmen zu lassen.
    Zuerst haben sie gelacht. Was ja eigentlich eine positive Reaktion ist, weil sie sonst immer so ernst sind. Aber es war kein gutes Gelächter. Auch nicht direkt ein böses – sie haben gelacht, um mich zum Schweigen zu bringen. Das hat mich ziemlich geärgert, deshalb habe ich weitergeredet. Wollte wissen, ob sie wirklich nie daran gedacht haben, wie es wäre, sich um ein Kind zu kümmern. Oder Essen zu kochen. Sich neue Rezepte auszudenken. Oder im Rat zu sitzen und Richtlinien zu erlassen. Da wurden sie ganz schweigsam. Sie haben zwar nicht mehr gelacht, aber die Stille war nicht weniger unangenehm. Sie haben mich

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