Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Vogt- stli
Vom Netzwerk:
Profilbild. Dieselbe merkwürdige Frisur. Die schmalen Augen. Die bronzefarbene Haut. Sie schaut direkt in die Kamera und lächelt vorsichtig. Mit leicht schräg gelegtem Kopf. Sicher findet sie, dass sie so am besten aussieht. Sie steht vor einer weißen Wand. Rechts von ihr ist ein Aquarium mit einem roten Fisch, links eine Leiter, die zu einer Art Bett führt. Ich vermute, dass es ihr Zimmer ist. Es gefällt mir. Fische im Zimmer – das könnte ich mir auch vorstellen. Ich finde gut, dass sie nur ganz leicht lächelt. Das lässt sie fremd und vertraut zugleich wirken.
    Seltsam, dass wir uns nie begegnen werden. Dass ich ihr nie in die Augen schauen werde, während wir uns unterhalten. Sie nie lachen hören werde, wenn ich was Witziges gesagt habe. Oder was Dummes. Ich wünschte, ich könnte ihre Hand halten, dicht neben ihr sitzen und ihren Duft einatmen. Sie riecht bestimmt gut. Sauber, aber nicht steril. Ganz natürlich und nicht parfümiert.
    Das andere Bild ist ein Panoramafoto von einer Stadt, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Jedenfalls nicht in Wirklichkeit. Sie hat etwas Utopisches, könnte aus einem Film stammen. Hohe weiße Häuser mit kleinen Fenstern. Bestimmt hundert Stockwerke hoch. Zwischen den Häusern sind breite Straßen, aber ich kann keine Autos erkennen. Nur winzige Menschen-Punkte. Ein roter Pfeil zeigt auf ein Eckfenster in einem Gebäude am Rand. Das soll wohl ihr Zimmer in der Schule sein. Direkt daneben ist ein dichter grüner Wald. Und wie es scheint, sind auch die Dächer üppig bewachsen. Auf dem Gebäude mit dem Pfeil ist eine Glaskuppel mit Grün darunter. Vielleicht eine Art Treibhaus? Auf den Dächern ragen Stative mit runden Platten in die Höhe, die alle in dieselbe Richtung zeigen. Satellitenschüsseln? Sonnenkollektoren? Funksender?
    Das Bild wirkt echt, wie ein Foto, aber es könnte auch aus einem Film sein. Ich google nach Bildern von Science-Fiction-Filmen, finde aber nichts, was so ähnlich aussieht. Könnte ein Künstler gemacht haben oder ein Architekt mit Wunschträumen. Oder Fera selbst, falls sie eine Meisterin der Bildmanipulation ist. Ich habe keine Chance, es herauszufinden.
    Es wäre gar nicht mal schlecht, wenn die Zukunft so aussähe. Ich hätte Lust, in so einer Stadt zu leben. Ohne Reihenhäuser und Autostraßen und Schulhöfe. Vielleicht im Zimmer neben Fera. In der Technologieschule, wegen meiner besonderen Begabung.
    Ich speichere die Bilder ab und mache eine Sicherungskopie.
    Fera:
    Na, du Delfin?
    Hans Petter:
    Hallo. Echt tolle Bilder!
    Fera:
    Sie gefallen dir?
    Hans Petter:
    Ja. Ist das dein Zimmer? Und die Stadt, in der du lebst?
    Fera:
    Richtig, mein schlauer Freund. Und, hast du heute irgendwelche berauschenden Substanzen zu dir genommen?
    Hans Petter:
    Nein, ich bin ganz klar im Kopf.
    Fera:
    Freut mich zu hören. Ich glaube nicht, dass du dir leisten kannst, viele Gehirnzellen zu verlieren.
    Hans Petter:
    Nein, ich muss die behalten, die ich habe, wenn ich mit dir mithalten will.
Ich finde es cool, wie klug du bist. Aber es ist unglaublich, dass dein Beruf für dich bestimmt wurde, als du fünf warst.
    Fera:
    Na ja, es wurde nicht festgelegt, welche Richtung im Bereich der Technologie ich einschlagen soll. Das wurde erst nach und nach beschlossen.
    Hans Petter:
    Aber was, wenn du plötzlich findest, dass es keinen Spaß mehr macht?
    Fera:
    Es ist nicht Sinn der Sache, dass es Spaß machen soll, nicht unbedingt. Wir wollen ja alle zum Wohl der Gesellschaft beitragen und unsere Fähigkeiten entsprechend einsetzen.
Es verschafft einem doch ein Gefühl der Befriedigung, wenn man das tut, was man gut kann, und von Nutzen ist.
    Hans Petter:
    Aber was, wenn du keine Lust mehr dazu hast, wenn du eines Tages merkst, dass du viel lieber Popsängerin werden willst oder Bilder malen oder Brot backen möchtest?
    Fera:
    Aber diese Berufe werden doch von Leuten ausgeübt, die am besten dafür geeignet sind. Wieso sollte ich Lust haben, einem anderen die Arbeit wegzunehmen, um sie dann schlechter auszuführen?
    Hans Petter:
    Und wenn man dir mit fünf Jahren gesagt hätte, dass du dein Leben lang Müllfahrer sein wirst? Weil du am besten dafür geeignet bist, bei der Müllabfuhr zu arbeiten?
    Fera:
    Keiner ist Müllfahrer, der Müll wird automatisch abtransportiert.
    Hans Petter:
    Na, oder Putzfrau meinetwegen.
    Fera:
    Alle Reinigungsarbeiten werden von Robotern erledigt, die ständig darauf achten, dass die Umgebung sauber ist, doch nicht zu steril.
    Hans

Weitere Kostenlose Bücher