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Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Vogt- stli
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fertigzumachen. Und sie ahnen wohl auch, welche Rolle ich dabei spiele.
    Es gibt einen in der Schule, den mein neuer Status mehr umhaut als alle anderen. Gunnar. Er kommt am Morgen an, um die Tür zum Klassenzimmer aufzuschließen, und ich gebe mir alle Mühe, den Anschein zu erwecken, als würde ich mich wohlfühlen, wie ich da so mit den größten Rowdies der Schule zusammenstehe.
    Gunnar rennt beinahe gegen den Türrahmen. Er muss mehrere Male hinschauen, um sich zu vergewissern, dass ihn seine Augen nicht täuschen.
    Wir gehen in die Klasse. Ich schlendere so lässig wie möglich an ihm vorbei. Gunnar starrt mich an. Versucht, Blickkontakt zu mir aufzunehmen, als wollte er fragen, was hier vorgeht. Ich tue so, als wäre alles völlig normal, und blicke fragend zurück. Was gibt’s? Ist doch alles, wie es sein soll . Ich weiß nicht, ob er sich Sorgen macht oder enttäuscht von mir ist. Er sieht ziemlich verwirrt aus. Vielleicht hat er sogar ein bisschen Angst. Ich meine, vielleicht begreift er, dass wir gemeinsam etwas aushecken. Dass das, was uns zusammengebracht hat, unser gemeinsamer Hass war. Auf ihn.
    »Und wie kommen wir an Fotos?«, fragt Sofus nach der Schule am Trafo-Häuschen.
    Andreas hat ihnen gerade von meinem Plan erzählt. Sie sind Feuer und Flamme, und jetzt ist es Zeit, ins Detail zu gehen. Es ist möglicherweise gar nicht so einfach, Gunnar zum Pädophilen abzustempeln.
    »Google«, sagt Andreas. »Das Internet ist doch voll von schmutzigen Bildern. Oder, Herman? Du wichst doch jeden Tag zu Fotos, stimmt’s?«
    Alle lachen. Ich auch. Es ist wichtig zu zeigen, dass man Teil der Gang ist, um kein Misstrauen zu wecken. Herman wird ein bisschen rot, ist jedoch schlau genug, nicht zu protestieren.
    »Ich hab aber noch nie welche mit Kindern gesehen. Reichen nicht normale Pornobilder?«
    »Ey, du hast ja wohl auch nicht nach Kinderpornos gesucht. Oder bist du so krank?«
    Andreas dreht sich zu mir um. »Und wie willst du die Bilder auf Gunnars Rechner kriegen?«
    Ich? Mir geht plötzlich auf, dass sie glauben, ich wäre der Typ Nerd, der sich mit Computern auskennt. Dass ich alles hacken kann, nur weil ich ein Einzelgänger bin. Dabei habe ich keinen Schimmer. Der einzige Mensch, den ich kenne, der so was vielleicht kann, ist Fera, und ich glaube nicht, dass sie von diesem Vorhaben begeistert wäre. Für sie wäre das genau der Beweis, dass Andreas keinen guten Einfluss auf mich hat.
    Alle starren mich gespannt an. Warten darauf, dass ich mit irgendeiner genialen Taktik rausrücke. Am liebsten würde ich schlau lächeln und sagen: »Das lasst mal meine Sorge sein«, aber ich habe echt keine Ahnung, wo ich überhaupt anfangen soll.
    »Weiß ich nicht genau«, sage ich. »Das steht bestimmt auch im Internet.«
    »Du weißt es nicht?« Sofus ist nicht begeistert. »Es war doch dein Vorschlag.«
    Er scheint von allen am wenigsten erfreut darüber zu sein, dass er mich plötzlich nicht mehr quälen darf.
    »Er findet das raus«, fährt Andreas dazwischen. »Stimmt’s?«
    »Ich werde das recherchieren.«
    »Hansen denkt nach, okay? Der ist nicht so beschränkt im Kopf wie ihr.«
    Falls sich das Blatt wieder wendet und Andreas beschließt, dass ich verprügelt werden soll, wird Sofus garantiert sein Bestes tun, mich das spüren zu lassen.
    Ich frage mich, ob ich für den Fall nicht schon mal einen besseren Schutz als dieses dumme Video haben sollte. Wenn das Kätzchen Andreas’ Schwachpunkt ist, sollte ich es vielleicht einfach entführen? Ihm Bilder von der Mieze im Käfig schicken, mit einer Binde vor den Augen. Schließlich habe ich ja überhaupt keinen Plan, wie ich die Fotos auf Gunnars Rechner bringen soll. Andreas scheint zu erwarten, dass ich die Planung übernehme und auch gleich noch Gunnar fertigmache.
    Es dauert noch mindestens drei Jahre, bevor ich zu Hause ausziehen kann, und ich ertrage Gunnar keine drei Jahre auf dem Sofa und am Frühstückstisch. Ihn als Pädo abzustempeln, würde ja mein Problem lösen, aber es wird auch Gunnars Leben zerstören. Er kommt vielleicht sogar in den Knast. Ich weiß nicht, ob er das verdient hat.
    Vielleicht sollte ich Dad noch eine Chance geben.

Mein Dad lebt in einem alten Mietshaus mitten in der Stadt. Er hat ja keine Kinder, die Gras und frische Luft und so was brauchen. Ich erinnere mich nicht mehr genau, wie lange er hier schon wohnt. Ein paar Jahre bestimmt. Ich habe ihn hier nie besucht.
    Er hat sich gefreut, als ich anrief. Fragte, ob ich Lust

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