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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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mitnimmt. Mühelos. Gar kein Problem. Ich würde dich hier nicht absetzen, wenn ich fürchten müsste, dass du nicht weiterkommst.«
    »In Ordnung.«
    »Moment. Ich habe gesagt, du bekommst etwas zu essen, und das sollst du auch.« Er steckte die Hand in die Hosentasche und hielt Jack dann über das Wagendach hinweg einen Geldschein hin. Der kalte Wind fuhr ihm durchs Haar und presste es gegen seine Stirn. »Da, nimm.«
    »Das muss nicht sein«, sagte Jack. »Ein paar Dollar habe ich noch.«
    »Lass dir ein anständiges Steak geben«, sagte Kiger; er beugte sich über den Wagen und streckte ihm den Geldschein hin, als böte er ihm einen Rettungsring an oder griffe selbst nach einem.
    Jack trat zögernd näher und nahm den Geldschein aus Kigers ausgestreckter Hand. Es war ein Zehner. »Vielen Dank.«
    »Warum nimmst du nicht auch die Zeitung mit, damit du etwas zu lesen hast? Für den Fall, dass du eine Weile warten musst oder so.« Kiger hatte die Wagentür geöffnet und sich hineingebeugt, um eine zusammengefaltete Zeitung vom Rücksitz zu holen. »Ich habe sie schon gelesen.« Er schob sie zu Jack hinüber.
    Die Taschen des Lodenmantels waren so geräumig, dass Jack die zusammengefaltete Zeitung in eine von ihnen hineinschieben konnte.
    Myles P. Kiger stand noch einen Augenblick an der offenen Wagentür und musterte Jack. »Nimm es mir nicht übel, aber ich glaube, du wirst ein interessantes Leben haben«, sagte er.
    »Es ist schon jetzt ziemlich interessant«, sagte Jack wahrheitsgemäß.
     
    Das Salisbury-Steak kostete fünf Dollar und vierzig Cent einschließlich der Pommes frites. Jack setzte sich ans Ende des Tresens und schlug die Zeitung auf. Die Geschichte stand auf der zweiten Seite – am Tag zuvor hatte sie auf der Titelseite einer Zeitung aus Indiana gestanden. VERHAFTUNGEN IM ZUSAMMENHANG MIT GRAUENHAFTEN LEICHENFUNDEN. Friedensrichter Ernest Fairchild und Polizeibeamter Frank B. Williams aus Cayuga, Indiana, waren im Verlauf der Untersuchung des Todes von sechs Jungen im »Sunlight Gardener-Bibelheim für gestrauchelte Jungen« des Missbrauchs öffentlicher Gelder und der Bestechlichkeit angeklagt worden. Der populäre Evangelist Robert »Sunlight« Gardener war allem Anschein nach kurz vor dem Eintreffen der Polizei geflüchtet; ein Haftbefehl gegen ihn war noch nicht erlassen, aber er wurde dringend zur Vernehmung gesucht. WAR ER EIN ZWEITER JIM JONES? lautete der Text unter einem Bild von Gardener in höchst beeindruckender Pose mit ausgestreckten Armen und elegant gewelltem Haar. Hunde hatten die Staatspolizei zu einer Stelle in der Nähe des Elektrozauns geführt, wo die Leichen von Jungen verscharrt worden waren – fünf Leichen, von denen die meisten bereits so verwest waren, dass sie nicht mehr identifiziert werden konnten. Ferd Janklow würde man vermutlich identifizieren können. Seine Eltern würden ihm ein richtiges Begräbnis zukommen lassen und sich dabei fragen, was sie falsch gemacht hatten; sie würden sich fragen, wie es möglich war, dass sie mit ihrer Liebe zu Jesus ihren intelligenten, aufsässigen Sohn zum Tode verdammt hatten.
    Das Salisbury-Steak schmeckte nach Salz und Wolle, aber Jack verzehrte es bis auf den letzten Bissen und tunkte die ganze Soße mit den nicht durchgebratenen Pommes frites des Empire Diner auf. Er war gerade mit dem Essen fertig, als ein bärtiger Lastwagenfahrer mit einer Baseballmütze über langem, schwarzem Haar, einem Parka, der aus Wolfsfellen genäht zu sein schien, und einer dicken Zigarre im Mund neben ihm stehen blieb und fragte: »Willst du nach Westen, Junge? Ich fahre bis Decatur.« Die halbe Strecke nach Springfield, einfach so.
     
    2
     
    In dieser Nacht, die er in einem Drei-Dollar-pro-Nacht-Hotel verbrachte, von dem ihm der Lastwagenfahrer erzählt hatte, hatte Jack zwei ganz deutliche Träume; vielleicht erinnerte er sich später auch nur an diese beiden unter den vielen, die sein Bett überfluteten, vielleicht waren die beiden in Wirklichkeit auch nur ein langer, ineinander übergehender Traum. Er hatte seine Tür verschlossen, in den fleckigen, gesprungenen Ausguss in der Ecke uriniert, seinen Rucksack unter das Kissen geschoben und war eingeschlafen mit der großen Murmel in der Hand, die in der Region ein Spiegel war. Von irgendwoher kam Musik, fast wie eine Untermalung im Kino – ein wilder Bebop, aber so leise, dass Jack gerade noch die führenden Instrumente heraushören konnte, eine Trompete und ein Altsaxophon. Richard,

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