Der Tanz der besseren Gesellschaft (German Edition)
nicht zurück und gestand ihnen seinen größten Kummer: Er beneide sie darum, nicht nur im Wesen Frauen zu sein, sondern auch körperlich. Oft male er sich aus, wie es wäre ein Weib zu sein, mit seidenweicher, glatter Haut, köstlichen Schenkeln und einer schmalen Taille und, welch Krönung, festen, wohlgerundeten Brüsten. Er wurde dann nicht selten als Narr gescholten und ausgelacht, was ihn so sehr bekümmerte, dass er eine Weile vor sich hin schluchzte, geradeso wie eine empfindliche, schwache Magd.
Wir haben eingangs schon erwähnt, dass sich die Gespräche in der Runde vor allem um jenes drehten, und darin waren sich die beiden Hälften ausnahmsweise vollkommen einig. Wortführerin war heute eine reizend anzusehende, kleine junge Frau, die als einzige wirklich Erwachsene unter den Mädchen saß, direkt neben Benny. Er war heute ihre beste Freundin, denn sie hielt seine Hand und unterstrich ihre Worte mit Gesten, die er willig mit sich ausführen ließ.
Es war natürlich Almuth, an deren Lippen die Gesellschaft hing, denn sie verstand es ausgezeichnet zu erzählen, und sie hatte auch etwas zu erzählen – nichts Geringeres als ihre lustvollen Eskapaden mit Baron von P., die sie in den leuchtendsten Farben schilderte.
Mit glühenden Wangen lauschten die Mädchen und erhitzten sich an den Pikanterien der jungen Frau, die es sichtlich genoss, ihre noch ganz frischen Erinnerungen in allen Details darzulegen und auf diese Weise beinahe noch einmal zu erleben. Die reifen Damen behielten einen überlegenen Ausdruck bei, konnten aber nicht verhindern, dass sich Lüsternheit und Neid dazugesellten. Nur der Domherr blickte säuerlich, denn ihm war nur allzu bewusst, dass er ihm Moment nicht im Mittelpunkt stand. Schlimmer sogar, er hätte genauso gut verschwinden können und es wäre niemandem aufgefallen, so unbedeutend war er im Augenblick in dieser Gesellschaft.
Benny war den Erzählungen ebenfalls mit brennendem Herzen gefolgt. Und als Almuth nun, zum krönenden Abschluss, verkündete, der Baron würde sich leibhaftig und heute noch zu ihrem Kränzchen gesellen, brach er in lauten Jubel aus, der die erstaunten und erfreuten Ausrufe der Mädchen übertönte. Er konnte wie sie die Ankunft des so hochgepriesenen Freiherrn kaum noch erwarten.
Hermann war nun das einzige Thema. Almuth hatte so begeistert von ihm erzählt, dass jede Einzelne und natürlich auch Benny schon von vorneherein in ihn verliebt war. Ein einziges der Mädchen konnte die allgemeine, so ansteckende Vorfreude nicht erreichen. Hermine, so hieß die Kleine, wirkte in sich gekehrt. Die siebzehnjährige Brünette, deren Mutter und Witwe eines Möbelfabrikanten, Brunhilde Kistler, am oberen Ende des Tisches saß, hatte einen geheimen Kummer. Herzenskummer. Und dieser Kummer hatte auch einen Namen: Benny.
Kurz gesagt: Sie liebte den Jüngling. Sie liebte ihn wie eine Freundin, sie liebte ihn aber auch wie eine Frau einen Mann liebt. Oder vielmehr: Sie wünschte sich, dass es so sein könnte. War Benny denn überhaupt ein Mann? Mittlerweile hegte sie ernsthafte Zweifel daran. Erst neulich hatte sie sich an ein Experiment gewagt, das kläglich gescheitert war und ihr so manche durchweinte Nacht eingebracht hatte.
Ihre Frau Mama war ausgegangen gewesen und sie hatte Benny zu sich eingeladen, ganz alleine mit dem schönen Jüngling in den prächtigen Räumlichkeiten. Endlich war die Gelegenheit gekommen, das Feuer der Leidenschaft in Benny zu entfachen, der Leidenschaft für die holde Weiblichkeit im Allgemeinen und sie, die ungezogene kleine Hermine, im Besonderen.
Umso niederschmetternder erlebte sie das Fiasko, das nun folgen sollte.
Die beiden hatten auf dem Diwan nebeneinander gesessen und sich nett unterhalten, als Hermine immer näher und näher rückte und endlich ihren Schenkel an den seinen drückte und in vorsichtiger, aber eindeutiger Weise zu bewegen begann. Da Benny in keiner Weise reagierte, setzte sie sich ihm frech auf den Schoß in der Hoffnung, so eine Regung bei ihm auszulösen und die ersehnte Ausbuchtung auch gleich spüren zu können. Vergebens.
So leicht war sie allerdings nicht bereit aufzugeben. Sie sprang auf und rang nach Atem. Als Benny sich besorgt erkundigte, wie ihr denn geschehe, erklärte sie, sie bekäme keine Luft und würde, so er keine Einwände hege, gerne ihr Mieder ablegen. Benny stimmte dem in völliger Arglosigkeit zu, woraufhin Hermine ihre Jacke ablegte, ihr Korsett aufknüpfte und alsbald halbnackt, nur
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