Der Tanz der besseren Gesellschaft (German Edition)
mehr irgendeine Aufmerksamkeit verschwendete) geklärt war, setzte die Gastgeberin mit ihren Erklärungen fort.
„Ja, verehrter Baron, wie ich schon sagte, kein gewöhnlicher Ball erwartet Sie. Das außergewöhnlichste daran ist unzweifelhaft der Umstand, dass Damen und Herren in gleicher Kostümierung erscheinen werden.“
Hermann stimmte in das allgemeine Gelächter ein, und fragte dann: „Wie darf ich das verstehen?“
„Es ist sehr einfach, denn die Kostümierung wird aus nur einem einzigen Stück bestehen – aus nichts!“
„Ihr meint, wir werden alle nackt sein? Gänzlich nackt?“
„Ja, ein Nacktball, ein ganz und völlig nackter Ball“, jubelte Eveline vorlaut, und man konnte wirklich kaum glauben, dass sie sich in der Öffentlichkeit verhielt, als glaube sie noch an den Klapperstorch.
Die anderen amüsierten sich über Evelines Begeisterung und lachten herzlich, begleitet allerdings von verständnisvollem Nicken – die Kleine hatte nur laut ausgesprochen, was alle dachten.
Fräulein von W. wandte sich verschwörerisch an ihre Nachbarin, die schöne, blonde Heidelinde, und fragte leise: „Welche Herren werden denn erwartet?“
„Alle werden sie erscheinen“, gab die blonde Maid flüsternd zurück, „aber mir ist das ohnedies einerlei. Vibransky, der Virtuose, ist der Einzige, für den ich mich wahrlich erwärmen kann. Wie er spielt! Und dann hat er auch noch einen so riesigen …“
„Ich weiß, ich weiß“, wisperte von W., „aber der von P. soll sogar noch größer sein, sagt Almuth.“
„Wie es scheint, spricht man von mir?“, erkundigte sich Hermann, der in dem Getuschel seinen Namen gehört zu haben glaubte.
„Äh …, nein, es ist nichts“, stotterten die beiden Mädchen verlegen und eine entzückende Röte zog sich über ihre Wangen. „Wie soll ich sagen?“, versuchte sich dann Fräulein von W. aus der Zwickmühle zu winden. „Am Ball, Herr Baron, am Ball werde ich Ihnen gestehen, worüber wir uns unterhalten haben!“
„Es wird mir ein besonderes Vergnügen sein, Ihre Erwartungen erfüllen zu können“, gab P. galant zurück und ließ damit durchblicken, dass er womöglich eine recht gute Vorstellung vom Thema des Geflüsters hatte.
Von W. bedachte ihn mit einem langen, glutvollen Blick, der seinen Verdacht erhärtete – und von Früchten sprach, die zu kosten die reine Wonne sein würde.
Solcherart verging die Zeit mit pikanter Unterhaltung und wohl gesetzten Frivolitäten wie im Flug und Hermann fühlte sich wunderbar in dem so erfrischend ungezwungenen Kreis, dem er sich bald angenehm vertraut fühlte.
Der Nacktball war nun natürlich das alles beherrschende Thema geworden und jede und jeder Einzelne wusste eine aufregende Vorstellung vom Ablauf dieses einzigartigen Ereignisses beizutragen. Insbesondere in P. schäumte die Lust beinahe über – er hatte Derartiges noch nie erlebt und der Gedanke, all diesen Grazien bald gänzlich unverhüllt begegnen zu können, allen auf einmal in einem glänzenden Ballsaal, beflügelte seine erotische Fantasie auf das Äußerste.
Dann nahte doch, spätabends bereits, die Zeit zum Aufbruch. Unter Scherzen und in aufgeräumter, bester Stimmung, die Mädchen kichernd und einander herzend, die Herren die Liebenswürdigkeit und Höflichkeit in Person, verabschiedete man sich.
Benny ergriff die Gelegenheit und diente sich dem Baron als Begleiter an. Dieser willigte gerne ein und die beiden verließen Seite an Seite die gastliche Stätte.
Traurig sah Hermine ihnen nach. Sie ließ sich von ihrer Mama in den Mantel helfen und alle Damen verließen das Haus; auf der Straße trennte man sich und jedes Grüppchen oder Pärchen strebte ihrem Zuhause zu.
Mit gemischten Gefühlen gingen die beiden hübschen Kistlers durch die von Gaslaternen nur noch spärlich erleuchteten Gassen. Die Jüngere sagte kein Wort, sie fühlte sich enttäuscht und verbittert und war ganz in sich gekehrt. Die Ältere hatte den Kopf stolz gehoben und malte sich ihre nächste Zukunft aus: der Baron – was für ein Mann! Sie musste und würde ihn bekommen, auf jeden Fall. Sie war geil wie eine Tigerin und konnte den Moment kaum noch erwarten, in dem sie sich selbst an des Freiherrn so eindrucksvoll geschilderter Männlichkeit würde verlustieren können.
Hermine gegenüber äußerte sie sich lobend über ihn: „Er ist reich, er ist schön, er ist, wie wir hörten, sehr gut gebaut – mein liebes Kind, dieser Hermann P. wäre der Richtige für
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