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Der Tanz der besseren Gesellschaft (German Edition)

Der Tanz der besseren Gesellschaft (German Edition)

Titel: Der Tanz der besseren Gesellschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Feuchtenbeiner
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bestehenden Formen des Zirkels klaglos einzufügen verstanden, waren durchaus willkommen. Auf die Einhaltung ihrer Regeln bestand die Rätin jedoch ohne Ausnahme.
    Den anwesenden Herren sah man an, dass sie mit diesen Regeln bestens vertraut und mit der Runde gut bekannt waren, denn sie ließen die Männer von den Frauen unwidersprochen ausrichten und lächelten sogar liebenswürdig zu den augenzwinkernd vorgetragenen Predigten, die sie sich über ihr Geschlecht anhören mussten. Umgekehrt betrachteten die Damen die beiden Männer ebenso als Teil ihrer Runde, ungeachtet aller anatomischen Differenzen.
    Der eine der beiden, ein feister, rundgesichtiger Mann, ging sicher schon auf die Fünfzig zu. Sein glatt rasiertes Gesicht neigte sich beim Sprechen stets ein wenig zur Seite, was seine salbungsvolle und überaus bedächtige Ausdrucksweise noch unterstrich. Er tat gut daran, sich in der Gesellschaft von Damen aufzuhalten, denn was er sagte war noch unangenehmer als wie er es sagte: Er raspelte Süßholz in einem fort, jedoch schienen alle seine Schmeicheleien einem anderen, längst vergangenen Jahrhundert entsprungen und klangen überdies so schwülstig, dass sie nur lustig gemeint erträglich gewesen wären. Nichts lag dem Herrn jedoch ferner als Humor. Andere Männer hätten diese Art sicherlich noch weit weniger ertragen als die anwesenden Frauen, wenn auch diese, wie wir noch sehen werden, ihre liebe Not mit dem unansehnlichen, geschwätzigen Fettwanst hatten.
    Der geneigte Leser, die geschätzte Leserin haben sicherlich bereits erraten, um wen es sich nur handeln kann – auch ohne den karmesinroten Kragen erblicken zu können, der seinen dicken Hals fest umschloss: ein Geistlicher. Genauer gesagt sahen wir den Domherrn und Kanonikus von Faster vor uns, der das Sprichwort „Nomen es omen“ heftig schwabbelnd ad absurdum führte.
    Der Pfaffe schien in der Runde bestenfalls geduldet, was ihn allerdings nicht weiter störte – falls er es bemerkte. Er kümmerte sich ausschließlich um die Gastgeberin, Frau von Büstenvoll, der er eifrigst Avancen machte.
    In seiner Jugend war der aufgequollene, ältlich wirkende Priester ein weithin bekannter Liebhaber gewesen, ein Liebling der Frauen. Den Mädchen und jungen Frauen war er mittlerweile längst ekelhaft geworden, bei den älteren Damen fanden seine ausufernden Reden jedoch durchaus noch Gehör – namentlich bei der Frau Obergerichtsrätin.
    So ergaben sich am Tisch zwei Lager: Auf der einen Seite der Kanonikus an der Seite der Rätin, umgeben von den reiferen Damen, auf der anderen Seite die Mädchen. Auch im Kreis dieser fröhlich schnatternden Runde von Siebzehn- bis Neunzehn-, allenfalls Zwanzigjährigen, saß ein Mann – oder beinahe ein Mann, denn er schien in fast allem das genaue Gegenteil des Geistlichen zu sein. Der Junge war hübsch anzusehen, er war vornehm gekleidet und trug ebenmäßige, weiche, fast weibische Züge zur Schau. Auch seine Gestalt war ansprechend, von geradem, gut proportioniertem Wuchs, auch wenn ihm auch in dieser Hinsicht die männlichen Attribute der Athletik und Körperkraft abzugehen schienen. Mit einem Wort: Der zarte, schmächtige Jüngling passte bestens in die Mädchenrunde und verhielt sich auch so, als wäre er in jeder Hinsicht ein Teil von ihr – als wäre er selbst ein Mädchen. Die jungen Damen akzeptierten ihn als Ihresgleichen, duzten ihn sämtlich und schlossen ihn in ihre intimsten Plaudereien ein.
    Er selbst redete von Ballvergnügen, von Dingen des Aussehens und all dem, was Mädchen eben so interessiert, und sprach keine einzige der hübschen Runde jemals so an, wie man es von einem zwanzig Jahre alten Jüngling in Gegenwart eines reizenden Fräuleins erwarten würde. Benny, so wurde er in der Runde genannt, war Zeit seines Erwachsenwerdens fast nur von Frauen umgeben gewesen und hatte allmählich völlig vergessen, welchem Geschlecht er eigentlich angehörte. Er hatte so sehr die Gewohnheiten der Weiber angenommen, ja sogar das Wesen der Frauen zu seinem eigenen gemacht, dass er sich selbst viel mehr für ein Weiblein als ein Männlein hielt. Und folgerichtig hielt er sich stets in der Gesellschaft von Mädchen und jungen Frauen auf und beteiligte sich auch an deren köstlichstem und ureigenstem Vergnügen: Er stellte schönen Männern nach.
    Da er wie seine Freundinnen nur von Männern schwärmte, öffneten diese ihm gänzlich ihr Herz und ließen ihn an ihren größten Geheimnissen teilhaben. Benny stand

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