Der Tanz Der Klingen
hatte. Mit neunzehn Jahren war er für eine Klinge recht stämmig, aber seine Kraft und Behändigkeit gingen mit den Umgangsformen eines Schwamms einher. Beliebtheit war oft ein zuverlässiges Zeichen für die Möglichkeiten eines Jungen. Die besten Klingen, die Eisenburg je hervorgebracht hatte – Männer wie zum Beispiel Beaumont, Turmfalke oder Ivor – wurden fast ausnahmslos von den Jungspunden verehrt, die ihnen nachfolgten. Raunzer hingegen hatten seine spitze Zunge und sein derber, bisweilen sogar grausamer Sinn für Humor herzlich wenige Freunde beschert.
Ringwald verkörperte das genaue Gegenteil: Er war liebenswert, oft geistreich, dunkel, schlank und besaß ausdrucksstarke, feingeschnittene und gutaussehende Züge. Als Sekundus war er für Disziplin verantwortlich und hatte in den letzten paar Tagen trotz seiner Jugend gute Ansätze erkennen lassen. Da ihm Raunzers Muskeln fehlten, bevorzugte er ein Rapier, mit dem er eine bemerkenswerte Geschwindigkeit entwickelte. Gäbe man ihm das zusätzliche Jahr, das er verdiente, mochte aus ihm einer der besten Fechter des Ordens werden, was gleichbedeutend mit ganz Euranien war. Und dennoch, als er die Tür schloss, klemmte er sein Schwert darin ein. Großmeister wusste, dass er es unter den gegebenen Umständen niemals rechtfertigen konnte, ein bloßes Kind zu binden.
Und auch Raunzer würde er nicht ins offene Messer laufen lassen, ohne ihn davor zu warnen, was ihn erwartete.
»Macht es euch gemütlich«, forderte er die beiden auf und begab sich zu seinem Lieblingsstuhl am kalten Kamin. »Das hier könnte länger als üblich dauern.«
Im Gegensatz zu anderen Meistern und den angestaubten alten Rittern in Eisenburg war Fürst Roland aus anderer Quelle wohlhabend, wodurch er in der Lage gewesen war, sein Arbeitszimmer geschmackvoll und behaglich mit Stil und Kunstwerken einzurichten. Schließlich ging er davon aus, hier den Rest seines Lebens zu verbringen. Wenn er die Altgedienten an Winterabenden zum Strategieunterricht zusammenrief – sofern es Altgediente zum Zusammenrufen gab –, war die zweitbeste Sitzgelegenheit, ein blauer Lederstuhl, traditionell dem Primus vorbehalten. Nun hielt Raunzer geradewegs darauf zu, vermutlich weil er dachte, dies würde seine einzige Gelegenheit werden, dort Platz zu nehmen. Der Anstand hätte geboten, dass er ihn dem Stellvertretenden Befehlshaber überließ.
Dennoch tadelte Großmeister ihn nicht. In diesem Salat verbargen sich weit schlimmere Würmer als schlechte Manieren. »Sir Tancred und zehn weitere Mitglieder der Garde sind vor wenigen Stunden als Begleitung eines erlauchten Gastes eingetroffen. Würdet Ihr uns die Besucher bitte nennen, Stellvertreter?«
»Ihro Gnaden, der Großherzog Rubin von Krupina, Baron …«
»Krup… wie? Wo liegt denn das?«, fiel Raunzer ihm ins Wort.
»Ist nicht meine Aufgabe, das zu wissen«, entgegnete Tancred schlagfertig – eine gute Riposte, aus der sprach, dass es demnächst Raunzers Aufgabe sein würde. »Er reist in Begleitung seines Adjutanten, Baron von Fader. Der hohe Herr zieht es vor, als ›Königliche Hoheit‹ angesprochen zu werden, der König aber bezeichnet ihn als ›Ihro Gnaden‹, drum nennt man ihn am Hof auch so. Er ist ein entfernter Verwandter des Piratensohns.«
»Ist nichts verkehrt an ›Ihro Gnaden‹«, meinte Raunzer. »Wir verwendend für den Piratensohn.«
»Primus!«, herrschte Großmeister ihn an. »Die Garde darf auf diese respektlose Weise von unserem Herrscher sprechen. Dir steht dieses Vorrecht nicht zu.« Und würde es auch nie.
Raunzer setzte eine finstere Miene auf. »Ich bitte um Verzeihung, Großmeister.«
»Und hättest du beim Protokollunterricht aufgepasst, wüsstest du, dass man stets mit ›Eure Majestät‹ beginnt. Erst danach ist ›Majestät‹ oder ›Ihro Gnaden‹ zulässig.«
»Ja, Großmeister.«
»Fahrt fort, Stellvertreter.«
Tancred lehnte sich auf seinem minderwertigen Stuhl zurück und schlug die ausgestreckten Beine übereinander. »Wo immer Krupina liegen mag oder wie man den hochwohlgeborenen Herrn auch bezeichnen mag, er wurde von seinem Onkel, Fürst Volpe, gestürzt. Seither grast er die Höfe Euraniens ab, um Unterstützung dafür zu finden, seinen Thron zurückzuerobern. Oder zumindest seine Frau und sein Kind zu retten. Anscheinend bislang ohne Erfolg.«
Ringwald und Raunzer tauschten bestürzte Blicke. In Eisenburg galt die Aufnahme in die Garde als das große Los, denn Gardisten weilten in königlichen Palästen
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