Der Tanz Der Klingen
Ich bin sicher, der Großherzog selbst hat die Gefahr verharmlost, weil er Zuflucht suchte. Vielleicht hat ihm jemand nur halbherzig zugehört oder es nicht richtig weitergegeben. Bei den Geistern, Raunzer! Glaubst du etwa, es freut mich, dass zwei Männer auf diese Weise sterben mussten? Mir ist zum Heulen zumute. Wir leben in einer verdammt unvollkommenen Welt.«
Stille.
Raunzer warf einen entsetzten Blick zu Großmeister. Da nahte sie also, die schreckliche Entscheidung. Noch gestern war er als Primus durch Eisenburg stolziert und hatte den Jungspunden gegenüber den hohen Herrn gespielt. Nun war seine Welt zu Staub zerfallen.
»Primus«, ergriff Durendal das Wort, »unser Orden wird selten in militärische Belange verwickelt. Dieser Fall ist außergewöhnlich, weil Seine Majestät und Großherzog Rubin entfernte Vettern sind. Es bekümmert den König, dass ein Mitglied seiner Familie in solcher Gefahr schwebt. Deshalb hat er ihm Hilfe und Schutz angeboten.« Wahrscheinlicher hatte es ihm die naseweise Königin Tascha eingeredet, denn Athelgar ließ sich selten von Großmut leiten.
»Ich weiß, dass du noch nicht in Außenpolitik unterwiesen wurdest.« Diesen Unterricht verpasste Protokollmeisterden Altgedienten im Zwölftmond. »Folglich hast du noch nicht von Fürst Volpe gehört, dem Oberhaupt der Vamky-Bruderschaft. Ich schon. Er befehligt nicht nur Furcht erregende Hexer, sondern gilt selbst als einer der größten Krieger Euraniens. Ich sage das der Gerechtigkeit halber. Seit elf Jahren bin ich Großmeister. Schon davor waren die Klingen mittelbar oder unmittelbar mein Leben, seit ich vierzehn Jahre alt war. Ich gebe zu, dass ich noch nie von einem Mann gehört habe, dem ein härterer Posten als dieser angeboten wurde, aber unser König hat einen Befehl erteilt, und wir alle müssen unsere Pflicht erfüllen.
Du musst wissen, das hat überhaupt nichts mit persönlichen Gründen zu tun. Ich kann nicht wählen. Nicht einmal Seine Majestät kann das. Aus eben diesem Grund beharrt unsere Charta darauf, dass jeder Anwärter Eisenburg in der Reihenfolge verlässt, in der er aufgenommen wurde. Allein die launischen Elemente des Zufalls haben dir und nicht jemand anders diese Bürde auferlegt.«
Seufzend erhob sich Großmeister. Ringwald sprang sogleich auf, einen Lidschlag später tat Raunzer es ihm gleich. Tancred blieb, wo er war, und beobachtete das Geschehen mit verdrießlicher Miene.
»Primus, Seine Majestät braucht eine Klinge. Bist du bereit zu dienen?«
Raunzer leckte sich über die Lippen. »Habe ich denn eine Wahl?« Seine Stimme ertönte als heiseres Krächzen.
»Die Regeln wurden dir mitgeteilt, als du hier eingetroffen bist«, gab Großmeister frostig zurück. »Du hast vier Jahre lang das Brot des Königs gegessen. Er hat dir Zuflucht und die weitbeste Fechtausbildung gewährt, ganz zu schweigen vom Schutz vor den Gerichtsverfahren, die dir drohten. Nun erwartet er, dass du deinen Teil der Abmachung erfüllst.« Er bietet dir einen unmöglichen Posten an.
»Oder ich werde im Moor ausgesetzt?«
So lautete das offizielle Los für Aussteiger. In Wahrheit war der Verweis von der Schule keineswegs die Todesstrafe, die es schien, wie Raunzer sehr wohl wissen musste. Früher oder später würde ihn der Karren eines Lebensmittelhändlers auf der Straße auflesen und nach Schwarzwasser oder Narby mitnehmen. Aber er wäre für immerdar ein Mann ohne Herr, ein Ausgestoßener Eisenburgs, und jeder wusste, was für Knaben überhaupt erst in die Schule aufgenommen wurden. In Raunzers Zukunft würde es keine Tänze bei Hofbällen geben. Das Beste, worauf er hoffen durfte, war ein Leben als Stallbursche. Aber Pferdebesitzer waren stets auf der Hut vor Dieben, deshalb war Seemann, Bergarbeiter oder Gehöftknecht ein wahrscheinlicheres Los.
Raunzer schaute zu dem gleichermaßen fahlen Ringwald, der stocksteif neben ihm stand.
»Wieviele? Nur ich oder wir beide?« Einzelne Klingen verloren häufig den Verstand bei dem Versuch, ihre Mündel vierundzwanzig Stunden am Tag zu beschützen.
»Ich werde diese Frage erst beantworten, wenn du meine beantwortet hast«, gab Großmeister zurück. »Soll ich sie erneut stellen oder dein Schweigen als Weigerung auffassen?« Dies kam einer Folter gleich, und er hasste es; aber zum ersten Mal war er gezwungen, nach den Regeln zu spielen.
Strategie, Regel eins: Das wahrscheinlichste Ergebnis jedes Plans ist der völlige Zusammenbruch.
Mit kleinlauter Stimme meldete Ringwald sich zu
Weitere Kostenlose Bücher