Der Tanz Der Klingen
verfolgt, meine Liebe. Als wir feststellten, dass du nicht im Haus warst, hat Kuri dein Gepäck gesucht, das voller Erinnerungsstücke an dich war. Er besitzt eine bemerkenswerte kleine Vorrichtung, um dich anhand solcher Dinge aufzuspüren. Als wir erkannten, dass du den Luitgard-Tunnel eingeschlagen hattest, beschlossen wir vorauszueilen, um uns davon zu überzeugen, dass du wohlbehalten ankommst. Wie ich sehe, habt ihr János nicht mehr dabei. Kein großer Verlust. Und einer deiner knabenhaften Schwertkämpfer fehlt ebenfalls? Wohl auch nicht weiter schlimm, würde ich sagen.«
Endlich fand sie die Stimme wieder. »Seid Ihr Ihr?« Dieser höchst wunderliche Sitzplatz in dieser gefährlich verwunschenen Ruine schien ein so unendlich unwahrscheinlicher Aufenthaltsort für den Gemahl, an den sie sich erinnerte. »Der echte Rubin? Kein weiterer Schwindler?«
Er lachte überzogen. Sie hatte ihn selten betrunken erlebt, aber vielleicht war er lediglich übermüdet. Immerhin hatte schon fast der Sonnenaufgang eingesetzt. Entlang der schartigen Krone der Feste waren bereits erste Spuren von Licht am Himmel zu erkennen. Oder vielleicht war sie diejenige, die wahnsinnig war. Jedenfalls war sie drauf und dran, vor Erschöpfung umzufallen.
»Selbstverständlich bin ich ich , meine Süße! Wer sonst dachtest du, wäre ich? Du etwa? Kuri hat mir berichtet, dass du dich den ganzen Sommer lang auf deinen Reisen durch Euranien als ich ausgegeben hast. Ich hoffe, du hast meinen Ruf nicht allzu sehr geschädigt, Liebste, hm? Hattest du Spaß? Hatte sie Spaß, Kuri?«
»Großen Spaß, Hoheit«, bestätigte der andere Mann.
»Oh, das ist gut.« Der Großherzog seufzte. »Denn nun ist der Spaß vorüber, Liebste. Übrigens, das ist Kantor Kuritsin. Anlässlich der Thronbesteigung heute Abend wird er zum Probst der Bruderschaft ausgerufen. Meinem Neffen ist ein schwerer Unfall widerfahren. Es bekümmert mich, dass du all die Feierlichkeiten versäumen wirst, Herzallerliebste! Du hättest sie bestimmt sehr genossen.«
»Aber Ihr werdet uns doch retten, oder?«, fragte Johanna. »Uns hier herausholen? Deshalb seid Ihr doch hier, nicht wahr?«
Abermals seufzte ihr Gemahl. »Nein, meine Teuerste. Ich fürchte nicht. Tatsächlich eher das Gegenteil. Meine Vermählung ist mir einfach zu wichtig. Du kannst dir unmöglich vorstellen, wie sehr ich all die Monate gelitten habe, in denen du dich auf dem Kontinent herumgetrieben und vergnügt hast. Das Warten! Das lodernde Verlangen! Es ist höchst ungesund für ein Volk, wenn das Staatsoberhaupt so zerstreut ist, dass es sich nicht gebührlich seiner Arbeit widmen kann. Ich habe mich vor Gram verzehrt, bis mir meine halbe Garderobe nicht mehr passte. Aber jetzt ist das alles vorüber. Heute Nacht wird sie mir gehören. Für die Entjungferung habe ich eine Stunde zwischen der Thronbesteigung und dem Staatsbankett eingeplant.«
»Er ist wahnsinnig«, murmelte Trudy. »Ein irrer, geifernder, sabbernder Wahnsinniger.«
Johanna schenkte ihr keine Beachtung. »Was also habt Ihr mit mir vor?«
»Ich? Gar nichts, meine Liebe. Hat János dich denn gar nicht über die Feste aufgeklärt? Vielleicht wusste er es gar nicht! Was meint Ihr, Kuri? Hat János es gewusst?«
Der Mann mit der Kapuze schüttelte den Kopf und brummelte etwas, dessen einzig verständliches Wort »Luitgard« war.
»Ja, muss er wohl«, pflichtete der Herzog ihm bei. »Es war praktisch Selbstmord. Siehst du, meine Liebe, die Feste in Donehof gehört mir. Seit Jahrhunderten dient sie als praktische Lösung für peinliche Probleme, als abgeschiedener Misthaufen, auf dem die Großherzoge sich ihres Unrats entledigen können. Ich selbst habe sie nie zuvor benötigt, mein Vater eher selten, so weit ich weiß. Mein Großvater hingegen war ein Spitzbube. Jeder, der ihn verärgerte, wurde hierher zur Feste gebracht. Den Rest erledigten die Schattenherren. Äußerst praktisch, überaus wirtschaftlich und nie lästige Leichen, die man erklären musste. Man braucht die Schattenherren nicht einmal zu füttern.«
Johanna hatte sich die ganze Zeit über geirrt. Das war Rubin, nicht Volpe. Letzterer spräche nie und nimmer auf jene gezierte, hämische Weise. Auch würde er seine Ehre nicht besudeln, indem er jemals vorgäbe, Rubin zu sein. Es hätte ihr bereits vor einem halben Jahr klar werden müssen. Die ganze Zeit war es Rubin gewesen, und sie hatte sich als blinde Närrin erwiesen, die sich geweigert hatte, das unerträglich Offensichtliche zu
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