Der Tanz Der Klingen
der Baron wütend auf.
»Und Eure Pritsche wird in den Vorraum geschoben,
Herr«, verkündete Ringwald vergnügt.
»Was?!«
»Tut mir Leid, ich muss mich an diese Macht erst
noch gewöhnen.« Trotzdem durfte er nicht so weit gehen, Baron von Speck aufzufordern, beim Möbelschieben zu helfen. »Bitte hol deine Ochsen herein, Sir Calvert.«
Natürlich war es damit noch nicht getan. Er musste unter das Bett schauen, in jede Truhe, jeden Schrank, jede
Schublade. Er spähte in den Waschkrug, zwischen die Kleider, hinter die Vorhänge, in jeden Kamin und Rauchfang und begutachtete die Befestigungen der Fensterflügel. Der Baron schäumte vor Wut, knirschte mit den Zähnen und tat seinen Unmut lautstark kund. Der Großherzog hingegen wartete geduldig, bis seine Klingen zufrieden waren, ohne sich ein einziges Mal zu beschweren.
»Ein gutes Mündel«, flüsterte Calvert.
»Vielen Dank für Eure Geduld, Hoheit«, sprach Ringwald schließlich und kehrte ins Vorzimmer zurück. Er
musste voller Staub und Spinnweben sein, und das Morgengrauen stand bereits bevor. »Tut mir Leid, dass es so
lange gedauert hat.«
»Es war Eure Pflicht, und ich bin dankbar für Eure
Sorgfalt.« Rubin steuerte auf sein Schlafgemach zu und
bedeutete Ringwald, ihm zu folgen. »Hättet Ihr all das
auch gestern gekonnt?«
»Gekonnt schon, aber ich hätte es nicht als nötig empfunden.«
Rubin hielt die Tür auf, bis Ringwald sich im Zimmer
befand, dann schlug er sie vor Raunzers Nase zu, sodass
die beiden allein waren. »Könnt Ihr mich anlügen?« »Ja, Hoheit.«
»Tatsächlich?« Damit hatte der Großherzog nicht gerechnet.
»Aber nur, wenn es zu Eurem Schutz notwendig ist,
Euer Gnaden. Nur, wenn es nicht anders geht. Sonst nie.
Schließlich muss ich gewährleisten, dass Ihr mir vertraut.« Das lernte man bereits in der Sopranklasse. »Ich verstehe. Großmeister zeigt sich recht beharrlich,
dass ich diesen halbblinden Schulabbrecher Glockmann
einstelle. Mir ist bloß nicht recht klar, zu welchem
Zweck.«
»Er ist ein hervorragender Mann, Hoheit, und damit
belüge ich Euch nicht. Ich würde Glockmann mein Leben anvertrauen. Das Eure selbstverständlich nicht.« Der Großherzog unterdrückte ein Gähnen. »Er soll mit
uns nach Grandon reisen. Dort können wir eine Entscheidung treffen. Gute Nacht – Befehlshaber.« Ringwald verneigte sich tief. »Gute Nacht, Königliche
Hoheit. Und danke für das Vertrauen, das Ihr in mich
setzt.«
»Danke für den Rest Eures Lebens«, erwiderte Rubin. In der Ankleidekammer hockte Raunzer mit verdrießlicher Miene, schäumte vor Wut und schürte den Zorn,
den er seit Stunden hegte. Beide Türen waren geschlossen, und durch die dicke Eichentür zum Vorzimmer
drang bereits leise das Schnarchen des Barons.
Danke für den Rest Eures Lebens? Eine seltsame Ausdrucksweise. Aber in gewisser Weise durchaus zutreffend. Ringwalds Leben gehörte nunmehr seinem Mündel.
Wie alt mochte Rubin sein? Vierzig? Sechzig? Wenn er
eines natürlichen Todes und langsam stürbe, sodass seine
Klingen Zeit hätten, sich an die Vorstellung zu gewöhnen, sollten sie es unbeschadet überstehen. Nur wenn ein
Mündel gewaltsam ums Leben kam, verfielen dessen
Klingen in Raserei.
Ringwald fühlte sich überhaupt nicht schläfrig. Gebundene Klingen schliefen nie, oder so gut wie nie. Dennoch war er erschöpft, und ein paar Stunden auf einem Bett wären recht angenehm. Zwar gab es in der Kammer keine Liegestatt, dafür aber ein paar brauchbar aussehen
de Stühle.
Raunzer rieb sich die Knöchel. »Wir haben was zu besprechen, Bruder Ringwald.«
»Nicht dass ich wüsste.« Ringwald setzte sich und zog
die Stiefel aus. Der linke zwackte nach so vielen Stunden
ein wenig.
Raunzer packte ihn vorn am Wams und zerrte ihn
hoch. Aus seinen Augen sprach Wahnsinn. »Wir haben
zu besprechen, wer hier Anführer ist, Pickelgesicht.« Ringwald hatte vor Raunzer nichts mehr zu befürchten. »Ich bin Anführer. Unser Mündel hat entschieden.« »Wir werden ihn überstimmen, wir beide.«
Traurig schüttelte Ringwald den Kopf. »Nein.« Armer
Raunzer. Es musste schrecklich sein, sich so oft zu irren,
über alles und jeden, tagein, tagaus.
Das große Raubein ballte die Faust gleich einem Vorschlaghammer.
»Versuch’s ruhig«, forderte Ringwald ihn auf. »Ich
bin die Klinge deines Mündels. Du kannst mich nicht
verletzen. Deine Bindung lässt es nicht zu.«
Eine ganze Weile lang geschah gar nichts, außer dass
Schweiß auf Raunzers Stirn zu glitzern begann. »Siehst du?«,
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