Der Tanz Der Klingen
»Schön für ihn. Hat er irgendwelche Kinder?« Der Herold öffnete eine Schublade und wühlte in einem Gewirr von Schriftstücken, das den Inquisitor mit Grauen erfüllt hätte. »Ja. Das muss ich erst noch hinzufügen … einen Sohn, Frederik, Markgraf von Krupa. Ein Ehrentitel, vermute ich.«
»Ist diese Neuigkeit erst unlängst eingegangen? Wisst
Ihr, wann er geboren wurde?«
»Vierhundertundzwei nach unserer Zeitrechnung. Ich
bin nicht sicher, in welchem Monat.«
»Also ist er genauso alt wie unser geliebter Prinz«,
stellte Glockmann fest, der spürte, dass er seiner Beute
näher kam. »Und dieselbe Anzahl von Generationen seit
Ambrose dem Dritten. Bemerkenswert ordentlich! Aber
in einer Linie haben wir drei Männer und eine Frau, in
der anderen jeweils zwei. Damen vermählen sich für gewöhnlich jünger. Ist Großherzog Rubin nicht etwas alt
für einen dreijährigen Sohn? Wie alt ist er eigentlich genau?«
Der Herold schien bestürzt darüber, es nicht zu wissen.
Doch alsbald hellte seine Miene sich wieder auf. »Wenn
Ihr mir ein paar Minuten unten in den Archiven gewährt,
Meister Glockmann, kann ich Euch das beantworten.« Glockmann begleitete ihn und verbrachte zwei Stunden stehend in einem Kellergewölbe. Dabei gelangte er
zu dem Schluss, dass er auch kein Herold werden wollte.
Und eine Weiße Schwester konnte er gewiss nicht werden.
Ansel hatte ihn vor den Weißen Schwestern gewarnt, nachdem er eingeräumt hatte, dass er nicht ganz unvoreingenommen war. Die meisten Weißen Schwestern fanden die Bindungen von Klingen so anziehend wie einen lauen Kadaver. Das traf keineswegs auf alle zu, doch Ansel hatte versucht, mit einer jener Unglücklichen anzubandeln, und hatte Narben davongetragen, die es bewiesen.
Da Glockmann ungebunden war, hoffte er auf einen wärmeren Empfang, als er an die Tür der Schwesternschaft klopfte, von wo aus man einen stillen Hof hinter dem Flügel des Schatzamts überblickte. Die Frau, die öffnete, war großgewachsen, hager und wirkte in ihren weißen Gewändern und dem turmartigen Kopfschmuck farblos. Beunruhigt wich sie vor ihm zurück. Er erklärte sein Ansinnen und überreichte ihr seinen Pass, den sie mit den Fingerspitzen hielt, als wäre er faulig.
Rasch gab sie das Papier zurück. »Wartet bitte.« Damit schloss sie die Tür.
Erwartete draußen auf dem Hof und vertrieb sich die Zeit damit, die vorbeischlendernden Höflinge und ihre Ergebenen zu beobachten. In persönlicher Hinsicht war der Tag bislang erfolgreich gewesen, da er nun kein geflohener Verdächtiger mehr war. Dank des emsigen Schnüfflers waren sowohl seine Akte als auch sein Gewissen rein. Wenn ihm danach wäre, könnte er sogar in seine Heimat Camfurt zurückkehren, jenes kleine Nest, in dem er noch Verwandte haben musste. Doch er empfand die Aussicht als abstoßend. Seine Mutter hatte ihn einen Mörder geschimpft, seine Schwestern waren in Ohnmacht gefallen, und sein Vater hatte ihn aus dem Haus gejagt. Außerdem hatte er seither den Duft einer größeren, unendlich ansprechenderen Welt geschnuppert, in der nicht der Zustand der Heuernte der spannendste Gesprächsinhalt war.
Sein zweites Bestreben indes war bislang ein Fehlschlag gewesen. Ringwald hatte ihn gebeten, einige Dinge zu überprüfen. Dabei hatte der Junge zwar nicht ausdrücklich den Hintergrund seines Mündels erwähnt, doch er hatte entsprechende Andeutungen fallen gelassen. Es schmerzte ihn, dass sein Mündel sich ihm noch nicht anvertraut hatte, gleichzeitig jedoch war er schlau genug zu begreifen, dass er womöglich an einen Hochstapler gebunden worden war. Bedauerlicherweise war es Glockmann nicht gelungen, handfeste Beweise zu sammeln, weder für noch gegen Großherzog Rubin. Sein Verdacht war stärker denn je, aber er konnte nichts vorweisen, um ihn zu rechtfertigen.
Schließlich öffnete eine ältere Frau die Tür, noch größer, noch dünner, noch blasser und unter einem noch höheren Hennin sogar noch erhabener. Er vermutete, dass es sich um eine Mutter handelte, wenngleich er die Zeichen, welche die Spitze an ihrem Kopfschmuck bildete, nicht zu deuten vermochte.
»Mutter Schöllkraut ist nicht zu sprechen«, verkündete sie und versuchte, die Tür zu schließen.
Glockmann schob einen Stiefel in die Tür. »Ich bin auf Geheiß von Sir Ringwald hier, dem neu ernannten Befehlshaber der Klingen des Großherzogs. Er benötigt Auskünfte über den Angriff, bei dem sein Mündel vor fünf Tagen beinahe getötet wurde.«
Das war
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