Der Tanz Der Klingen
konnte noch auf einem Stuhl stehen, wenngleich wackelig. Sein Kopf tauchte neben ihren Knien auf.
»Alles in Ordnung, Liebes?« Er sprach mit Flüsterstimme.
»Uns geht es bestens. Es war Volpe! Habt Ihr sein Hinken bemerkt?«
»Habe ich. Er bot eine Belohnung von je tausend Hyrischen Dukaten für euch beide.«
»Das ist alles?«, fragte Johanna entrüstet. »Ein ziemlich geringer Preis für ein Herzogtum!«
»Aber ein gewaltiges Vermögen für einen schwer schuftenden Arbeiter oder Küchengehilfen.«
»Gewiss«, pflichtete sie ihm traurig bei. Vor gar nicht allzu langer Zeit wäre ihr der Betrag selbst wie ein gewaltiges Vermögen erschienen.
»Er hat sechs Männer hier gelassen«, verriet er ihr. »Wir lassen sie von Mädchen ablenken, trotzdem kann ich nicht lange bleiben. Braucht ihr etwas?«
»Morgen, falls wir noch hier sind – mehr Spielzeug, frisches Wasser und einen frischen Nachttopf.« Sie verkniff es sich, der Aufzählung einen Knebel für ihren Sohn hinzuzufügen; dies war nicht die rechte Zeit für Scherze.
Frederik weckte sie. Er wimmerte nur und heulte nicht, mit ein wenig Glück würde er also wieder einschlafen. Johanna rollte sich zur Seite, stöhnte dabei ob ihrer Schmerzen und Blutergüsse und wollte gerade den Kopf unter dem Kissen vergraben, als ihr zu Bewusstsein kam, dass die Glocke läutete. Es war eine sehr kleine Glocke, die nur ein ganz leises Klingeln vernehmen ließ. Unaufhörlich. Einmal Läuten für Alarm, drei Mal für alles in Ordnung – das waren die vereinbarten Zeichen, nun jedoch rüttelte jemand ohne Unterlass an dem Seil. Sie setzte sich auf.
Aus der Ferne ertönten hämmernde Geräusche. Johanna wälzte sich aus dem Bett, ergriff die Laterne und lief die Treppe hinab, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Jemand pochte gegen die Falltür, versuchte, sie zu wecken.
Dann roch sie Rauch.
Fadrenschloss war uralt; es würde brennen wie Zunder. Sogleich waren alle ihre Wehwehchen vergessen, und sie stürzte zurück hinauf in die kleine Kammer … sammelte Mantel, Schuhe und ihren Sohn in seiner Decke … hetzte im Dunklen wieder die Treppe hinab … und Frederik begann angesichts eines weiteren, unsanften Erwachsens lauthals zu weinen. Nun war der Lärm lauter und ließ auf die heftigen Schläge eines Hammers schließen, die ihre Füße durch den Steinboden sogar spüren konnten. Noch bevor sie sich daran machen konnte, die Riegel aufzuschieben, gaben sie nach, und die Falltür wurde aufgeschleudert. Grelles Licht und ein Schwall Rauch, der in den Augen brannte, drang nach oben. Die Menge des Hustens unter ihr legte nahe, dass ein beträchtliches Empfangskomitee auf sie wartete.
»Nehmt ihn!«, rief sie und legte ihren Sohn in die auftauchenden Arme. Selbst wenn sie Volpe höchstpersönlich gehörten, war es kein Ausweg, bei lebendigem Leib zu verbrennen. Dann verdrängte sie alle Scham, steckte die Füße durch die Lücke und spürte, wie zahlreiche starke Hände sie ergriffen und hinunterhoben. Johanna trug nur ein Nachtkleid, einen Mantel und ihre Schuhe; die Hände verweilten etwas länger als nötig auf ihr.
»Hauptmann Aldea, Königliche Hoheit«, stellte sich eine zufrieden klingende Stimme vor.
Groß, kräftig, unbeirrbar und mit der Vorstellungskraft einer Stechmücke geschlagen. Jeder Versuch, Aldea zu erklären, dass der Mann, den er für seinen Herrscher hielt, in Wahrheit ein Thronräuber mit einem verzauberten Medaillon war, schien von vornherein zum Scheitern verurteilt. Johanna hatte ein ebensolches Medaillon dabei, doch sich plötzlich selbst in Rubin zu verwandeln, war nun auch keine Lösung mehr. Sie hustete, als der Rauch in ihre Lungen drang.
»Kommt mit!«, forderte Aldea sie auf. »Wir sollten schnellstens hier raus. Allmählich wird es gefährlich.« Damit packte er sie am Arm und zerrte sie auf den Gang hinaus.
Johanna setzte sich zur Wehr. »Lasst mich gefälligst los!«
»Nein.« Offenbar besaß Aldea doch genug Vorstellungskraft, um zu erkennen, dass sie versuchen könnte, in den Wirren zu fliehen. Er zwang sie, in Bewegung zu bleiben. »Der Baron sagt, das gesamte Schloss wird gleich in Rauch und Flammen aufgehen.«
Mit seinen Fingern gleich Stahlbändern um ihren Arm eilte sie neben ihm her. Inmitten des Hustens vor ihr hörte sie Frederiks Geschrei. Außerdem vernahm sie ein entsetzliches Gebrüll, das an das Tosen eines Wasserfalls erinnerte, und sie fürchtete, es stammte vom Feuer selbst.
»Hat der Herzog Euch ermächtigt, Fadrenschloss in
Weitere Kostenlose Bücher