Der Tanz Der Klingen
Brand zu stecken?«, fuhr sie ihn an.
»Das war nicht unser Werk, Hoheit. Der Baron glaubt, dass eine Feuerfliege ihr Unwesen treibt. Oh … bei den Toten!«
Sie hatten die Tür zum großen Saal erreicht. Eine Seite davon glich einer Feuerwand, die durch dichten Rauch schimmerte.
»Da können wir nicht rein!«, schrie ein anderer Mann.
»Kennt Ihr einen anderen Weg nach draußen, Hoheit?«, fragte Aldea.
»Ja. Lasst meinen Arm los.« Sie wartete, bis er es tat. »Und jetzt folgt mir!« Sie drängte sich durch die Menge, ergriff eine Laterne und lief voraus, wobei sie auf Frederiks Geschrei lauschte, um sich zu vergewissern, dass man ihr mit ihm folgte. An der Tür zum Keller zögerte sie kurz. Ihr graute vor dem Gedanken, sich dort hinunter zu begeben, unter das gesamte Gewicht des Schlosses, aber sie konnte ihren Sohn nicht dem Feuertod überlassen. Gefolgt von dem Trommelwirbel zahlreicher Stiefel stolperte Johanna die Treppe hinab in kühle, frischere Luft. Als sie sich mit einer Tür plagte, griffen Männerhände an ihr vorbei und rissen diese förmlich aus den Angeln. Wieder hinauf. Sie gelangte auf den Burghof und stieß vor Bestürzung einen spitzen Schrei aus.
Unter der Flammensäule, die vom Neuen Haus – das bei weitem nicht den jüngsten Teil der Anlage darstellte
– in den Himmel ragte, war die Nacht taghell. Selbst auf diese Entfernung war die Hitze schier unerträglich. Ungeachtet aller Bemühungen der Stallknechte waren mehrere Pferde in Panik geraten und hatten sich losgerissen; nun tobten sie wie wahnsinnig über den Hof und brachten jeden in Gefahr. Hinter ihr explodierte der große Saal in einer riesigen Rauchwolke. Feuerbälle quollen aus jedem Fenster und schleuderten Trümmer durch die Gegend.
»Dort entlang!« Sie zerrte an dem Mann, der Frederik trug, und umklammerte seinen Arm, als sie zum kleineren Torvorwerk rannten. Zeitweise mussten sie sich eng an die Mauer drücken, während die zu Tode verängstigten Gäule an ihnen vorbeidonnerten. Der Boden war von glimmendem, rauchenden Schutt übersät. Mit der freien Hand hielt sie den Saum ihres Nachtkleids hoch, da sie fürchtete, es könnte sonst in Brand geraten.
»Halt!«, gellte jemand. »Da ist sie! Bleibt stehen! Die Fliege! Bewegt euch nicht.«
Die Männer vor ihr hielten so unvermittelt inne, dass Johanna an ihren Rücken zurückprallte.
»Lauft! Lauft! Lauft!«
»Nein!«, brüllte Hauptmann Aldea. »Alles stillgestanden. Redet nicht einmal.«
»Was ist das für ein Wahnsinn?«, schrie Johanna. Rings um sie waren die Flüchtenden zu Salzsäulen erstarrt. Frederik schluchzte. Sie versuchte, sich zwischen zwei Männern hindurchzuzwängen, doch abermals schlossen Aldeas stählerne Finger sich um ihren Arm.
»Steht still!« Er hörte sich an, als versuchte er zu sprechen, ohne den Mund zu bewegen. »Es ist die Feuerfliege.«
Sie schaute hin, wo alle anderen hinstarrten, und sah … einen Funken? Einen Stern? Was immer es sein mochte, es überstrahlte selbst die gewaltige Feuersbrunst des Neuen Hauses dahinter. Der Schein war so grell, dass es in den Augen schmerzte. Das Ding kreiste über dem Burghof, als würde es an einem unsichtbaren Seil geschwungen. Es war kaum zu verfolgen, da es helle Linien und Kreise auf ihren Netzhäuten hinterließ. Lebte es etwa? Ein lebendiges Feuer, das sich an den Wirren erfreute, die es angerichtet hatte?
»Wie tötet man das Ding?«, murmelte ein Soldat.
»Das kann man nicht«, murmelte Aldea, ohne die Lippen zu bewegen. »Der Baron sagt, sie leben nicht lange.«
Brauchten sie auch nicht. Aus unerfindlichem Grund stürzte die Feuerfliege nun trudelnd auf die Pferde zu, die in der Ecke neben dem Verbindungsflügel in der Falle saßen, wo sie sich wild aufbäumten und um sich traten. Erst kreiste sie dicht über ihnen, als nähme sie Maß, dann schnellte sie mitten in die Herde. Ein Pferd explodierte unter Dampf und Feuer zu einem Schauer verkohlten Fleisches. An seiner Stelle tänzelte wieder die Feuerfliege. Mit ähnlichem Ergebnis traf sie ein weiteres Tier.
»Bewegt euch!«, befahl Aldea. »Aber langsam. Bloß nicht rennen. Wir müssen hier raus.«
Diese Aufforderung bedurfte keiner Wiederholung. Der Rauch, die Hitze und die herabprasselnden Trümmer wurden unerträglich. Es war kaum noch Luft zum Atmen vorhanden. Johanna drängte sich dicht an Frederik, der in seiner Decke nach Leibeskräften schrie, während die gesamte Gruppe die Mauer entlangschlich und dabei das grauenhafte Gemetzel an den Pferden
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