Der Tanz des Maori (epub)
In dem Haus, das du mir bezahlt hast. Ich habe nicht verstanden, warum ich diese Frau nicht wieder treffen durfte. Und du solltest aus meiner Kindheit wissen, dass ich schon immer mit Anweisungen Probleme hatte, deren Sinn ich nicht begriff.«
»Ich kann nicht glauben, dass du mein Vertrauen so missbraucht hast«, flüsterte der alte Mann. »Ich habe noch nie jemandem in meiner Familie so vertraut wie dir â«
»Sina forschte weiter, die ganze Zeit«, unterbrach ihn Brandon. »Und dabei fand sie heraus, wer dieser Angus MacLagan war. Ein mieser Kerl. Ein Lügner und Vergewaltiger.«
»Und was geht mich das an?«, schrie sein GroÃvater. »Ich bin nicht für jeden entfernten Bekannten aus der Zeit vor dem Weltkrieg verantwortlich!«
»Doch«, antwortete Brandon. Mit einem Mal war er sich ganz sicher, dass er die Wahrheit aussprach. »Für diesen bist du verantwortlich. Angus MacLagan bist du.«
Einen Augenblick hörte man in dem Arbeitszimmer nichts auÃer dem Ticken der Uhr.
Dann erklang wieder die Stimme des alten Mannes. Sie zitterte vor Zorn. »Du glaubst wohl jede Lüge, die dir dieses infame deutsche Flittchen auftischt, oder? Was kommt als Nächstes? Du erzählst mir, dass die Reederei mir gar nicht gehört?«
»Doch«, erklärte Brandon. »Nach allem, was Sina herausgefunden hat, gehört die Reederei wirklich dir. Du hast sie allerdings mit Geld aufgebaut, das du nach dem Unglück in Matakite durch deine hinterhältigen Machenschaften bekommen hast. Nur so war es möglich, dass Ava Denson völlig leer ausging, nach Deutschland zurückgehen musste â und dir sogar ihren einzigen Sohn anvertrauen musste.«
Die schwarzen Augen von George Cavanagh sprühten vor Zorn. »Und wer hat sich all diese rührenden Geschichten ausgedacht? Deine Sina?«
»Nein, Sina hat sich nichts ausgedacht. Sie hat nur durch einen Zufall herausgefunden, dass an der Westküste eine Frau lebte, die ihr verdächtig ähnlich sah. Ava. Das, was du wohl schon beim ersten Blick auf Sina gesehen hast, hat Sina erst nach Monaten der Suche herausgefunden. Sie hatte keine Ahnung, dass ihre GroÃmutter jahrelang in Neuseeland gelebt hatte. Ava hatte das in ihrer Familie nie erzählt â¦Â«
»Und jetzt hat sie kurz vor dem groÃen Sprung ins Grab doch noch die Klappe aufgerissen, oder was?« Brandon erkannte seinen GroÃvater in seinem Zorn fast nicht wieder. Eine Ader auf seiner Stirn war dick angeschwollen. Er musterte seinen GroÃvater und spürte, wie ihn mit einem Mal eine groÃe Ruhe überkam. Mit dem letzten Satz hatte er schon fast zugegeben, dass er Ava wirklich kannte â und dass die Geschichte alles andere als erfunden war.
Brandon schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Ava ist schon lange tot, und sie nahm ihr Geheimnis mit ins Grab. Sie heiratete einen Berliner Arzt, Hubertus Gehrling, der sie aufrichtig liebte. Sie bekamen noch eine Tochter â aber die hat niemals erfahren, dass sie in Neuseeland noch einen Halbbruder hat. Und Avas Enkelin ist Sina â sie sehen sich zum Verwechseln ähnlich, wenn man den alten Fotos trauen darf. Und genau deswegen hast du auch sofort gesehen, dass mit Sina eine Gefahr für dein Leben voller Lügen droht. Aber nein ⦠Ava hat nichts verraten.«
»Woher hat Sina dann diese Geschichten? Es mag ja sein, dass sie eine GroÃmutter hatte, die nicht mit dem nötigen Mumm ausgestattet war, um in diesem Land Erfolg zu haben. Nicht jeder hat den Pioniergeist gehabt, um auch nach Niederlagen wieder aufzustehen ⦠Aber diesen Blödsinn von dem Lügner und Vergewaltiger Angus MacLagan â das ist doch lächerlich!«
»Nein, diese Geschichten sind von Ruiha. Du musst sie kennen, ich habe sie im Archiv der Reederei gefunden. Da ist eine Quittung. Du hast sie als Kindermädchen wirklich fürstlich entlohnt: Sie bekam ein Haus in Seddonville â¦Â«
George Cavanagh machte eine wegwerfende Bewegung. »Ich hatte keine Verwendung mehr für diese Hütte, was habe ich mit Seddonville zu schaffen. Und so habe ich eine Menge Geld gespart, dieses Maori-Mädchen lieà sich doch wirklich mit einem baufälligen Haus abspeisen.« Er sah seinen Enkel selbstbewusst an, lächelte sogar. »Ruiha lebt also noch? Das wundert mich nicht, sie war ein zäher Brocken. Die überlebt uns noch alle.«
Langsam griff Brandon
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