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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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wieder auf wie besoffen und machten uns auf diesem Schlachtfeld
richtiggehend kaputt.
    Nie sah er sich um, um zu sehen, wie ich und die anderen zurechtkamen. Ich dachte, er wollte nicht, daß jemand sieht, wie grün er im Gesicht ist. Ich wollte ihm immer wieder sagen,
daß wir alle weit abgehängt hatten, aber für das Wettrennen brauchte ich meinen gesamten Atem.
    Als er nach einer Seite abbog, zu der einen Linie aus Leuchtfeuermarkierungen, dachte ich mir, es zieht ihn zum Rauch, wo die Leute ihn nicht sehen konnten, damit ihm privat schlecht werden
kann.
    Gerade war ich hinter ihm in den Rauch gefallen, als ein Sperrfeuer von neunzehnachtzehn einschlug.
    Diese arme alte Welt, sie rockte und rollte, sie spuckte und fetzte, sie siedete und sengelte. Dreck und Stahl von neunzehnachtzehn flogen aber wirklich aus jeder Richtung durch Poritsky und mich. »Aufstehen!« brüllte Poritsky mich an. »Das ist neunzehnachtzehn! Ist überhaupt nicht
gefährlich!«
    »Wäre es aber, wenn es könnte!« brüllte ich zurück.
    Er tat, als wolle er mir gegen den Kopf treten. »Stehen Sie auf, Soldat!«
    Ich stand auf.
    »Gehen Sie zurück zu den anderen Pfadfindern«, sagte er. Er zeigte durch ein Loch im Rauch, zeigte dorthin zurück, wo wir hergekommen waren. Ich hatte gesehen, wie die
gesamte Kompanie den Tausenden von Beobachtern zeigte, wie es aussieht, wenn Experten sich hinlegen und bibbern. »Da gehören Sie hin«, sagte
Poritsky. »Das hier ist meine Show, und die ist ein Solo.«
    »Wie bitte?« sagte ich. Ich wandte den Kopf, um einem Neunzehnachtzehner-Felsbrocken nachzusehen, der gerade durch seinen und meinen Kopf geflogen
war.
    »Sehen Sie mich an!« brüllte er.
    Ich sah ihn an.
    »Hier trennen wir die Männer von den Knaben, Soldat«, sagte er.
    »Jawoll, Sir«, sagte ich. »Kann kaum jemand so schnell rennen wie Sie.«
    »Ich rede nicht von Rennen«, sagte er. »Ich rede von Kämpfen!« Ja, es war eine irre Konversation. Leuchtspurmunition von neunzehnachtzehn hatte begonnen, durch uns
hindurchzuflitzen.
    Ich dachte, er redet über das Bekämpfen von Bambus mit Lumpen. »Geht keinem sehr gut, Herr Hauptmann, aber ich nehme an, daß wir siegen werden«, sagte ich.
    »Ich meine, daß ich durch diese Markierungen hier in neunzehnachtzehn einrücken werde!« brüllte er. »Sonst ist doch niemand Manns genug, um das zu tun. Und
jetzt machen Sie verdammtnochmal einen Abgang!«
    Ich merkte, daß es ihm total ernst war. Er dachte tatsächlich, es wäre ganz toll, wenn er eine Fahne schwenken und eine Kugel im Fluge aufhalten konnte, auch wenn das in einem
Krieg passierte, der seit hundert Jahren oder noch länger vorbei war. Er wollte was davon abhaben, selbst wenn die Tinte auf den Friedensverträgen so verblaßt war, daß man sie
kaum noch lesen konnte.
    »Herr Hauptmann«, sagte ich, »ich bin nur ein gemeiner Soldat, und gemeine Soldaten dürfen nicht mal Andeutungen machen. Aber, Herr Hauptmann«, sagte ich, »ich
glaube nicht, daß das viel Sinn hat.«
    »Ich wurde geboren, um zu kämpfen !« brüllte er. »Ich verroste doch innerlich!«
    »Herr Hauptmann«, sagte ich, »alles, was es zu kämpfen gibt , wurde bereits gewonnen. Wir haben Frieden, wir haben Freiheit, überall
ist jeder jedem sein Bruder, jeder hat ein schönes Häuschen und sonntags ein Huhn im Topf.«
    Er hörte mich nicht. Er ging in Richtung Leuchtfeuermarkierungslinie, zum Rand des Zeitmaschinenstrahls, wo der Rauch von den Markierungen am dicksten war.
    Kurz bevor er ins Neunzehnachtzehn ging, blieb er stehen. Er sah auf etwas hinunter, und ich dachte, vielleicht hat er ein Vogelnest oder ein Gänseblümchen im Niemandsland
gefunden.
    Was er gefunden hatte, war keins von beiden. Ich ging zu ihm und sah, daß er über einem Neunzehnachtzehner-Granattrichter stand, als hinge er einfach in der Luft.
    In diesem traurigen Loch waren zwei tote Männer, zwei lebendige Männer und Matsch. Ich wußte, daß zwei tot waren, weil der eine keinen Kopf hatte und der andere in zwei
Hälften geplatzt war.
    Wenn man ein Herz hat und in dickem Rauch auf so was stößt, wird in diesem Universum nichts mehr wirklich sein. Es gab keine Weltstreitkräfte mehr; es gab keinen
immerwährenden Frieden mehr; es gab kein LuVerne, Indiana, mehr; es gab keine Zeitmaschine mehr.
    Da waren nur Poritsky und ich und das Loch.
    Wenn ich je ein Kind haben sollte, würde ich ihm dies sagen: »Kind«, würde ich sagen, »laß bloß die Zeit zufrieden. Laß Jetzt jetzt

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