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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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verschlüsseln, aber er hat
einfach weitergequatscht, als könnte er mich gar nicht hören ... Hat über die Stimme dieser Frau geredet.«
    »Wer ist die Frau? Was hat er gesagt?«
    Der General sah ihn seltsam an. »Sagt, es wäre seine Frau, Margaret. Da würde ja wohl jeder durchdrehen, meinen Sie nicht? Was waren wir doch brillant, daß wir jemanden
ohne familiäre Bindungen raufgeschickt haben.« Er stand auf und reckte sich. »Ich gehe mal kurz raus. Lassen Sie bloß die Finger von dem Gerät.« Er knallte die
Tür hinter sich zu.
    Der Funker regte sich. »Sie bringen ihn runter.«
    »Ich weiß«, sagte Groszinger.
    »Das wird ihn umbringen, stimmt’s?«
    »Er hat eine Lenkung für Senk- und Gleitflug, sobald er in die Atmosphäre eintaucht.«
    »Wenn er will.«
    »Das stimmt –, wenn er will. Sie werden ihn mit Raketenantrieb aus seiner Umlaufbahn und in die Atmosphäre holen. Danach ist es an ihm, zu übernehmen und zu
landen.«
    Sie verstummten. Das einzige Geräusch war das gedämpfte Sperrgeräusch aus dem Lautsprecher.
    »Er will nicht leben, wissen Sie das?« sagte der Funker plötzlich. »Würden Sie leben wollen?«
    »Das weiß man wahrscheinlich nicht, bevor es soweit ist«, sagte Groszinger. Er versuchte, sich eine Welt der Zukunft vorzustellen –, eine Welt in ständigem
Kontakt mit den Geistern, die Lebenden untrennbar von den Toten. Sie mußte kommen. Andere Männer, die das All erforschten, mußten es herausfinden. Würde es das Leben zum
Himmel oder zur Hölle machen? Jeder Penner und jedes Genie, Verbrecher und Held, Durchschnittsmensch und Wahnsinniger, jetzt und immerdar Teil der Menschheit –, beratend, zankend,
intrigierend, besänftigend ...
    Der Funker sah verstohlen zur Tür. »Wollen Sie ihn noch mal hören?«
    Groszinger schüttelte den Kopf. »Jetzt hören alle diese Frequenz. Da wären wir alle in einem schönen Schlamassel, wenn Sie die Frequenz nicht mehr sperren.« Mehr
wollte er nicht hören. Er war verwirrt, unglücklich. Würde der unmaskierte Tod die Menschen in den Selbstmord treiben oder ihnen neue Hoffnung bringen? Würden sich die
Lebendigen von ihren Führern abwenden und den Toten nachlaufen? Cäsar ... Karl dem Großen ... Napoleon ... Bismarck ... Lincoln ... Roosevelt? Jesus
Christus? Waren die Toten weiser als ...
    Bevor Groszinger ihn davon abhalten konnte, stellte der Sergeant den Oszillator ab, der die Frequenz sperrte.
    Major Rice’ Stimme kam sofort durch, hoch und überschwenglich: »Tausende, Tausende, alle um mich herum, sie stehen auf nichts, schimmern wie Nordlichter ...
Wunderschön, in Wellen durch den Weltraum, um die ganze Erde herum wie ein glühender Nebel. Ich kann sie sehen, hört ihr? Ich kann sie jetzt sehen. Ich kann Margaret sehen. Sie winkt
und lächelt, verschwommen, himmlisch, wunderschön. Wenn ihr es nur sehen könntet, wenn ...«
    Der Funker haute das Sperrsignal rein. Auf dem Korridor waren Schritte zu hören.
    General Dane pirschte in den Funkraum und sah auf seine Uhr. »In fünf Minuten fängt der Countdown an; dann holen sie ihn runter«, sagte er. Er versenkte die Hände in
den Hosentaschen und nahm niedergeschlagen eine krumme Haltung ein. »Diesmal haben wir versagt. Nächstes Mal, bei Gott, werden wir es schaffen. Der nächste Mann, den wir
raufschicken, wird wissen, was ihm bevorsteht –, er wird dafür gerüstet sein.«
    Er legte Groszinger die Hand auf die Schulter. »Der wichtigste Job, den Sie je zu machen haben werden, mein Freund, ist, daß Sie den Mund über diese Geister da draußen
halten. Der Feind darf nicht erfahren, daß wir ein Raumschiff da draußen hatten, und er soll auch nicht wissen, was ihn erwartet, wenn er es selbst versucht. Die Sicherheit dieses
Landes hängt davon ab, daß dies unser Geheimnis bleibt. Drücke ich mich klar aus?«
    »Ja, Sir«, sagte Groszinger, dankbar, weil er nur die Wahl hatte zu schweigen. Er wollte nicht der sein, der es der Welt mitteilte. Er wünschte, er hätte nichts mit
Rice’ Weltraummission zu tun gehabt. Was die Entdeckung der Toten der Menschheit antun würde, wußte er nicht, aber die Wirkung wäre fürchterlich. Nun mußte er wie
alle anderen auf die nächste wilde Wendung warten, die die Geschichte nehmen würde.
    Der General sah wieder auf die Uhr. »Sie bringen ihn runter«, sagte er.
    Um 13:39 Uhr am Freitag, dem 28. Juli, funkte das britische Linienschiff Capricorn , welches sich zweihundertachtzig Meilen von New York
entfernt

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