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Der tausendfältige Gedanke

Der tausendfältige Gedanke

Titel: Der tausendfältige Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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schmerzlich gezwungen.
    Eleäzaras wirkt im Rat wie ein Mann, dessen Kinder eben in die Sklaverei verkauft worden sind. Er bringt es nicht einmal über sich, mich anzusehen, geschweige denn, mir Fragen über die Rathgeber zu stellen. Er hat von der Zerstörung gehört, die ich in Iothiah angerichtet habe. Ich glaube, er hat Angst vor mir.
    Er wird zu dir kommen, Achamian – früher oder später.
    Soll er doch!
    Jede Nacht wurden die Hauptbücher geöffnet und die Schuldner zur Rechenschaft gezogen. Es würde Entschädigung geben.
    Es darf hier nicht um Rache gehen. Du musst ihn als ebenbürtig behandeln und dich so verhalten, als wärst du nie entführt und gefoltert worden… Ich verstehe, dass du nach Vergeltung hungerst, doch was auf dem Spiel steht, hat mehr Gewicht als alles andere. Verstehst du das?
    Was hatte Verständnis mit Hass zu tun?
    Das verstehe ich sehr wohl, Nautzera.
    Und der Anasûrimbor? Was halten Eleäzaras und die anderen von ihm?
    Meines Wissens wollen sie, dass er als Schwindler betrachtet wird. Was sie tatsächlich von ihm denken, weiß ich nicht.
    Du musst ihnen klar machen, dass der Anasûrimbor uns gehört, Achamian. Du musst ihnen vor Augen führen, dass die Ereignisse in Iothiah – verglichen mit dem, was geschieht, wenn sie sich seiner zu bemächtigen versuchen – nur eine Lappalie gewesen sind.
    Man kann sich des Kriegerpropheten nicht bemächtigen. Über derlei ist er… erhaben. Achamian hielt inne und rang um Fassung. Aber man kann ihn kaufen.
    Kaufen? Wie meinst du das?
    Er will die Gnosis, Nautzera. Er ist einer der Wenigen. Und wenn ich sie ihm verweigere, könnte er sich – wie ich fürchte – an die Scharlachspitzen wenden.
    Er ist einer der Wenigen? Wie lange weißt du das schon?
    Seit einiger Zeit –
    Und dennoch hast du uns nicht verständigt! Achamian… Akka… Ich muss sicher sein, dir in dieser Angelegenheit vertrauen zu können!
    So wie ich Euch in der Angelegenheit mit Inrau vertraut habe?
    Eine lange Stille folgte, schwer von Schuld und Anklage. Achamian glaubte, den Jungen im Dunkel ängstlich und sorgenvoll zu seinem Lehrer aufschauen zu sehen.
    Ein bedauerlicher Fall, sehr bedauerlich sogar, sagte Nautzera. Aber die Ereignisse haben mir Recht gegeben, meinst du nicht?
    Ich warne Euch nur dieses eine Mal, knurrte Achamian. Versteht Ihr?
    Wie konnte er das nur ertragen? Wie lange noch musste er zwei Kriege führen – einen für die Welt, den anderen gegen sich selbst?
    Aber ich muss sicher sein, dir vertrauen zu können!
    Was wollt Ihr von mir hören? Ihr seid diesem Mann noch nie begegnet! Bis dahin könnt Ihr es nicht wissen.
    Was kann ich nicht wissen? Was?
    Dass er unsere letzte Hoffnung ist. Nautzera, lasst Euch gesagt sein, dass er mehr ist als nur ein Zeichen und mehr als ein bloßer Hexenmeister sein wird – weit mehr!
    Halte deine Leidenschaft im Zaum! Du musst ihn als Werkzeug betrachten, als Werkzeug der Mandati – nicht mehr und nicht weniger. Wir müssen ihn besitzen!
    Und wenn die Gnosis sein Preis für dieses »Besitzen« ist, was dann?
    Die Gnosis ist unsere Waffe! Unsere! Auf keinen Fall darfst du –
    Und was ist mit den Scharlachspitzen? Was geschieht, wenn Eleäzaras ihm die Anagogik anbietet?
    Das Zaudern, das diesem Einwand folgte, war so erregt wie verzweifelt.
    Das ist Irrsinn! Welcher Prophet würde um der Hexenkunst willen einen Orden gegen den anderen ausspielen? Doch nur ein Zaubererprophet! Ein Schamane!
    Dieses Wort bewirkte eine Stille, in der nur das ätherische Wallen zu hören war, das all ihre Wortwechsel umgab, als würde die Welt selbst sich über die Unmöglichkeit dieses Gesprächs ereifern. Nautzera hatte Recht: Die Umstände grenzten an Irrsinn. Aber würde er Achamian den Irrsinn der Aufgabe vergeben, die vor ihm lag? Mit freundlichen Worten und diplomatischem Lächeln sollte Achamian um die buhlen, die ihn gefoltert hatten! Mehr noch: Man verlangte von ihm, einen Propheten zu umwerben und ihn zu gewinnen – einen Mann/der ihm seine einzige Liebe gestohlen hatte… Achamian kämpfte seine aufsteigende Wut nieder. Zwei Tränen traten gleichzeitig aus seinen leeren Augen.
    Also gut! rief Nautzera fast verzweifelt. Die anderen werden mir deswegen das Fell abziehen… Gib ihm die Niederen Formeln – die Denotarien und dergleichen. Mach ihm mit diesem Zeug weis, du hättest ihm unsere tiefsten Geheimnisse überlassen.
    Ihr versteht mich offenbar noch immer nicht, Nautzera. Der Kriegerprophet lässt sich nicht

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