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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Monsieur«, sagte O'Key, und Baranoff, der zum Fenster hinausgesehen hatte, fuhr herum.
    »Ach, Sie sind's«, sagte er und beruhigte sich wieder. O'Key ließ sich in einen Fauteuil fallen und seine Gelenke knackten. »Ich hab zu wenig Sport getrieben, in der letzten Zeit, bin ganz eingerostet. Aber, was den Brief betrifft, ich würde ihn nicht abschicken.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil ich sonst meinem Freund, dem Kommissar, erzählen müßte, wer den Brief geschrieben hat. Und das könnte sehr unangenehm werden für den ›Freund der Genfer Justiz‹.«
    »Wäre das fair?« fragte Baranoff.
    O'Keys Augen wanderten im Zimmer umher, blieben am Waschtisch haften, er stand auf, machte über der Schüssel die Gebärde des Händewaschens.
    »Was ist fair, Monsieur?« fragte er dagegen. »So möchte ich, in Anlehnung an Pilatus fragen. Wir spielen ein Spiel, und das Spiel hat nur eine Regel: Erfolg. Nicht wahr? Was hat da die Fairneß zu suchen? Es gefällt mir nicht immer, das Spiel, aber es ist ja nicht die erste Partie, die wir spielen, nicht wahr, Zweiundsiebzig? Wir wissen zuviel voneinander. Sie sind offizieller Korrespondent der ›Prawda‹, ich bin vom ›Globe‹, was wir daneben treiben, ist gleichgültig. Aber arbeiten Sie mit den Behörden, so konterminiere ich ebenfalls bei den Behörden. Ich habe im ›Palais‹ nichts von Ihnen gesagt, werde auch nichts sagen, aber«, O'Keys welche Stimme gefror ein wenig, »lassen Sie meine Leute in Ruhe. Lassen Sie die Finger vom Professor, lassen Sie die Finger von Fräulein Lemoyne.«
    »Fräulein Lemoyne ist schon verlobt«, grinste Baranoff, »wenn Sie heiraten wollen, müssen Sie schon jemand anderen suchen.«
    »Zweiundsiebzig«, sagte O'Key warnend, dehnte dann die Arme und gähnte verächtlich, »ich warne Sie. Sie können nicht boxen, reizen Sie mich nicht. Übrigens, woher haben Sie die Neuigkeit mit dem Verrückten in Bel-Air? Ist das wahr? Merkwürdig, daß mir Fräulein Lemoyne nichts davon erzählt hat.«
    »Sie hatte wahrscheinlich Wichtigeres mitzuteilen«, höhnte Baranoff. O'Key machte zuerst Miene, seine verstreuten Glieder einzusammeln, blickte dann auf Natascha, streckte sich wieder aus.
    »Wenn Sie nicht so fett wären, Zweiundsiebzig, würde ich Sie ohrfeigen. Aber es lohnt sich nicht.«
    »Nennen Sie mich nicht immer Zweiundsiebzig. Nur Zuchthäusler ruft man bei ihrer Nummer. Und ich bin kein Gefangener.«
    »Was nicht ist, kann noch werden«, bemerkte O'Key friedlich. »Und wir wollen uns nicht streiten. Aber ich möchte gerne noch wissen, was mit dem Patienten los ist, auf den Sie anspielen. Von wem haben Sie etwas erfahren, und überhaupt, was hat der Mann für eine Rolle gespielt in der ganzen Affäre?«
    »Er hat Crawley gesehen«, sagte Baranoff. »Ich brauchte es Ihnen ja nicht zu sagen, aber immerhin, eine Hand wäscht die andere, und vielleicht können Sie mir auch einmal nützlich sein.«
    »Er hat Crawley gesehen?« wiederholte O'Key gedehnt, »er war also an jenem Abend an der Place du Molard? Dann war es, warten Sie, Baranoff…, dann war es der Mann mit den weißen Tennishosen, den die Polizei sucht? Ja? Und Madge hat die ganze Zeit davon gewußt?«
    »Ich glaube nicht, daß Fräulein Lemoyne etwas von der Rolle gewußt hat, die Nydecker in der ganzen Affäre gespielt hat, es war übrigens gar keine große Rolle, nur Statist war er. Aber er weiß viel, schwieriger wird es schon sein, es aus ihm herauszugraben, sie haben bös gehaust mit ihm.«
    »Sie? Wer sind die ›sie‹?«
    »Das müssen Sie selber herausfinden, mein lieber O'Key, nicht etwa, daß ich ein Interesse hätte, die Leute zu schützen, aber alle Geschäftsgeheimnisse darf man nicht ausplaudern.«
    »Sagen Sie, Zweiundsiebzig, pardon, Baranoff, wie stehen heute die ›Standard-Oil‹?«
    »Standard-Oil? Warum? Habe noch nicht nachgesehen. Da, vor Ihnen auf dem Tisch liegt eine Zeitung. Schauen Sie selber nach.«
    »Shell Transport hat aufgeholt«, sagte O'Key nach einer Weile, »und die 2 1/4, Anatol ist seit gestern um 7/8 in Frankfurt gefallen. Was wird gespielt dort unten, Baranoff? Kann man keinen Tipp bekommen? Wer managet dort unten die Sache? Denn, daß es Petrol ist, weiß ich bereits. Aber ich sag es Ihnen offen, ich weiß noch nicht, gegen wen es geht, und wer der Dritte ist. Sie etwa?«
    »Kostja, Paß auf«, sagte Natascha. »Er will dich nur ausholen.«
    Wirklich sah Baranoff einen Augenblick erstaunt auf, aber es war wohl mehr das ungewohnte »Du«, das

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